126Iren oder jiddisch lachenden Leute auch nicht gerade auf die Ohren gefallen!"Sie weideten sich sichtlich an unserem Erstaunen während Shulamit aufstand undSascha am Ärmel zu sich zog. " Ach du mediterraner Bär - setzt dich, sonst bekommeich Genickstarre. Schön, dass ihr wieder mal bei uns hereinschaut. Ich bin auf dasKonzert heute Abend gespannt."" Singst du?" Hannah starrte den dunklen Riesen fasziniert an. Doch Sascha schüttelteden Kopf. " Es ist mein Fluch, dass alle, die noch Ahnung von verlorener Musik habenautomatisch meinen, ich sei ebenfalls ein Heldentenor." Er seufzte und Jakob rief, sicheinen <strong>St</strong>uhl heranziehend, "Ausgerechnet du!"" Nein klassische Musik macht mich nervös. Aber was will man <strong>als</strong> Liebhaber einesjiddischen Cellisten denn anders tun, <strong>als</strong> sein Orchester zu managen? Ich bingewissermassen der Impressario unserer musikalischen Gemeinschaft und höre heimlichnachts unter der Bettdecke die Rolling <strong>St</strong>ones oder die BeeGees. Wenn ihr überhauptwisst, wer das war."Jakob schüttelte indigniert ob so viel Unverstandes seinen rothaarigen Schopf." Ausserdem ist er Fotograf und kümmert sich um die Programme, die Eintrittskarten,die subversiven Konzerteinladungen. Er hat auch bereits drei Musikerbiografien imUntergrund verlegt und einen heimlichen Preis für die beste Buchgestaltung erhalten:Eine alte Scheibe mit Kov<strong>als</strong>kiliedern, spätpatriarchal aber süss und geil!""Glücklicherweise kann ich dieses Vivaldi- und Händelgesäusel mangels geeigneterApparate nicht abhören. Aber der Altist sieht nett aus und war wohl seinerzeittatsächlich ein wunderbarer Sänger.""Weder Kastrat noch schwul und hetero vom ordentlich gekämmten Altistenscheitel biszur Fledermaussohle!"Jakob lachte und rieb sich schadenfroh die Hände, während wir nur erstaunt die Köpfeschüttelten ob all der vielen unbekannten Namen und Begriffe, die da auf uns herniederprasselten. Jan-San fasste sich <strong>als</strong> Erster wieder. Er hatte Tee aufgeschüttet undbrachte Tassen und Kanne an den Tisch in der Sitzecke."Aber ihr seid doch sicherlich nicht hier hereingeplatzt, um uns einen Schnellkurs imklassischen Musikbetrieb zu geben?""Allerdings nicht. " Jakob wurde plötzlich todernst. Er legte die Hände an seine Schläfenund das ganze, spitze, lustige Gesicht zog sich in einer Geste unterdrückten Weinenszusammen."Die Seuche ist zurückgekehrt. Sie holen uns wieder ab." Er hatte tatsächlich Tränen inden Augen und Sascha legte ihm beruhigend die Hand auf den Arm.Shulamit sprang auf und lief besorgt im Raum hin und her."Wir dachten doch, es wäre vorbei. Seit wann wisst Ihr es?"Jakob zuckte die Achseln. "Es dauert ja immer eine Weile, bis wir etwas merken. Ichschätze, so ein, zwei Monate. Die ersten Männer verschwanden, angeblich währendihrer Dienstreisen." Er verzog das Gesicht und spuckte das letzte Wort verächtlich aufden Boden. "Du weist schon: Unfall während der aufopferungsvollen Tätigkeit fürsMutterland! Dann verschwanden auch die Brüder, insbesondere aus den grenznahenGebieten. Wie dam<strong>als</strong>, da fing es genau so an.""Bitte helft uns." Sascha umklammerte so fest seine Tasse, dass ich fürchtete, er würdesie gleich zerbrechen." Sie holen nicht nur die Kranken, das wäre ja fast noch zu
127verstehen. Irgendwie gibt es immer, auch bei uns, Denunzianten. Unser zweiter Geigerwar garantiert nicht krank, doch wir vermissen ihn seit drei Wochen. Jakobs Tate, einalter Geigenbauer aus dem Schwarzenwald, ist auch verschwunden."Auf dem Gummen im Jahr 135 ( 2135 n. d. Zt. )Während ich dieses hier oben zwischen den klar aus dem blauen Himmel herausgemeisselten Bergspitzen niederschreibe, sehe ich die doppelte, übereinander gelagerteErinnerung, fühle jenen Moment, da die Unschuld vor Tate Martins Lächeln schwandund die Kindlichkeit endgültig in der Erinnerung zerbrach.Wie konnten wir jem<strong>als</strong> unsere Tates, unsere Brüder besuchen, <strong>als</strong> Jugendliche, mitihnen in neutralen Alpengegenden gemeinsam wandern und gleichzeitig Zugang habenzu den grossen Winterriten?Wie konnten wir gleichzeitig die Geschenke unserer Tates auspacken, vierundzwanzig<strong>St</strong>unden ehe die Kalistatue solche wie sie unter dem <strong>Dr</strong>öhnen der Trommelnverschlang?Wie konnten wir das leben, was wir lebten?Wir konnten es, denn wir vergassen in gleichem Masse das Lächeln und den Schmerz,vergassen, ebenso schnell wie wir sie sahen, die lebhaften Augenfältchen und dieauseinander klaffenden, weissen Körper vor dem Raubtiergrund.Weil wir alles vergassen, konnten wir leben. Aber da das Leben sich das Lieben suchtwie eine dürre Pflanze im Wüstengrund das Wasser, da aber die Liebe der Spaten zurErinnerung ist, denn ohne diese kann kein Mensch wirklich leben oder lieben, lerntenwir, uns zu erinnern. Wir erinnerten uns und konnten froh sein, nicht daran zu sterben.Sei es auf dem Tempeldach, sei es in den einsamen Villen oder in der Nebeldurchseuchten, kalten See.Die Erinnerung an Ella weckte mich gänzlich wieder auf, denn sie musste ich nichtvergessen, nicht unser Lachen und nicht unseren Abschied auf dem Schiff.Shulamith legte nachdenklich einen Finger an die Nase. "In der Männerprovinz gibt eswieder eine merkwürdige, ansteckende Krankheit und ihr bittet unsere Heiler, jemandenzu schicken, um nachzuschauen.""Frauenland hat doch eine ausgezeichnete medizinische Versorgung?" Warf ich fragendein und erinnerte mich mit Wärme an die gestohlenen Salicylpräparate, die nach langerZeit wieder die erste Botschaft meiner Freundinnen gewesen war."Oh, sicher, ausgezeichnet!" Shulamith verzog ihr Gesicht. "Für Husten, Schnupfen,gebrochene Beine, Magenkrebs und Haarausfall. Was denkst du, wie sie die grossenSeuchen des Spätpatriarchats ausrotteten, derer sie davor schon nicht Herr gewordenwaren?""Besserer Umweltschutz, sanfte Technologien. Aber ganze Gebiete sind auch noch bisheute abgesperrt. Keine patriarchale sexuelle Gewalt mehr, auch unter den Männern."Ich schaute sie fragend an."Ihr Dissidentinnen seid schon seltsam ambivalent." Sie schüttelte lächelnd den Kopf.
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