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vollständig als pdf - Dr. Martina Schäfer, St. Gallen

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20von Jugend auf!Der Park der Villa unterschied sich in Nichts von den anderen Parks um spätpatriarchaleVillen, nahe an einem beliebten Ausflugssee gelegen, mit ehem<strong>als</strong> eigenem Zugang zum<strong>St</strong>rand, der heute natürlich durch das Rhododendrenlager und die doppelteMauerumführung abgeschnitten war. In dem leicht verwilderten Parkgelände wechselteneinzelne Baumgruppen mit hohen, alten Platanen und Kastanien zwischen dunklerenkleinen Gebüschgruppen und offenen Wiesen ab, auf denen ich verrottete,undefinierbare, grasfreie Flecken ausmachen konnte: Wohl die ehemaligen Blumenbeeteund Rabatten des hochherrschaftlichen, spätkapitalistischen Besitzes. Wahrscheinlichwar diese Villa das ursprüngliche Zentrum der gesamten Rhododendrenbuschanlage. EinFeriensitz an diesem schönen, oberbayrischen See, ein ehemaliges Parteibonzenheimmit um liegendem, weit angelegtem Areal, das keine ungebetenen Einblicke das nobleLeben zu stören vermochten.Die Rückführung weiblichen Eigentums begann ungefähr fünfzig Jahre vor meinerGeburt, noch unter postpatriarchalen Vorzeichen. Am Ende der Parteienepoche,schmissen die einstm<strong>als</strong> mächtigen christlichen Kirchen endgültig das Handtuch und ausihren Archiven kamen jene Gräueltaten an Frauen, die sie über Jahrhunderte hinwegausgeheckt hatten, ebenso ans Tageslicht wie zwei Jahrzehnte zuvor die Akten einerwahnhaften Geheimpolizei im östlichen Teil des ehemaligen Deutschlands. Und ungefährvierzig Jahre davor, jene der Faschisten, die nach Vergeltung und Wiedergutmachungschrieen.Viele sehr schön gelegene Akademien, Kirchengebäude, Schlösser und Industriebetriebewurden um die Jahrtausendwende in Frauenhände zurückgeführt. Kirchliche Betriebewurden der Leitung weiblicher Führungsgremien unterstellt, die einen Teil ihrerEinnahmen an Frauenprojekte und präventive Einrichtungen abführten. Akademien, oftan Seen oder in wunderschöner Landschaft gelegen, mit ebenfalls grossen Parkanlagen,verwandelten sich in Tagungshäuser für Frauen, in Altersruhesitze für Lesben, inMädchenschulen. Aus Kirchen, insbesondere neueren Bauten aus dem letzten,spätpatriarchalen Jahrhundert, die über eine gute Akustik verfügten, wurdenKonzertsäle, ausschliesslich zur Aufführung von Frauenmusik bestimmt, Theater- undKinoräume, ebenfalls nur für Frauen bestimmt. Allerorten verwandelten sichGemeindezentren in Kulturräume der damaligen Frauenbewegung. Dieser unverhoffteRückenwind, der durchaus noch mit Hilfe alternativer und linker Männer sowie Teilenaus liberalen Partei-, und Gewerkschaftsorganisationen in Gang gesetzt worden war, diesich so auch <strong>als</strong> das bessere weil demokratischere Patriarchat gegenüber denFundamentalisten jeglicher Couleur profilieren wollten, verstärkte natürlich dasgesellschaftliche Gewicht der politischen Frauenbewegung ungeheuer. Ja, letztlichbekam sie nun genauso viel Einfluss wie bis dahin die christlichen Kirchen zusammenbesassen. Und sie wurden so auch erst einmal zu wackeren Verbündeten aller möglicherkritischer gesellschaftlicher Geister in den westlichen Demokratien, denn schlimmer <strong>als</strong>ein <strong>St</strong>aat ohne Frauenwahlrecht ist allemal einer, der Frauen unter einen dunklenTschador zwingt und Ehebrecherinnen steinigen lässt.Da der neue Besitz die bis dahin etwas unkoordinierte Frauenbewegung zwang, feste,gesellschaftliche, versteuerbare <strong>St</strong>rukturen anzunehmen, hatte auch das noch einmal

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