106ganze Nacht lang über Land. Als die Fahrzeuge hielten, tauchte Maya auch wieder auf.Sie gab uns Geld, in einem Umschlag. 'In dieser Richtung liegt das Meer. Vielleicht habtihr Glück?' Das war alles, was sie sagte und wir liefen los.""Als der Morgen kam, waren die Hellis auf unserer Spur. Mit diesen Köpfen kann mansich ja nirgendwo verstecken." Er schwieg nun aber ich hatte schon die ganze Zeitgemerkt, dass Hannah aufgewacht war und uns zuhörte. Nun klangen ihre leisen Worte,kaum zu hören für die anderen:"Lieber in Freiheit zusammen sterben, <strong>als</strong> getrennt hingerichtet werden."Laura schob mich beiseite, beugte sich über die junge Frau und legte ihr die Hand aufdie <strong>St</strong>irn."Du warst auch schwanger, nicht wahr? So kam sie an ihr Kind! Feine Gesellschaft!"Laura blitzte mich böse an, wie in den Zeiten unserer ersten Begegnung, <strong>als</strong> hätte ichdie Schuld an diesem ganzen Unglück.Hannah schloss die Augen und drehte das Gesicht zur Wand."Deshalb hat man mit unserer Hinrichtung gewartet. Ich glaube, es ist ein Mädchen."Jan-San warf sich auf das Bett und die beiden jungen Leute weinten wie Kinder, derenWelt zusammengebrochen ist, eine weite, leere Wüste aus zersplitterndem Spielzeugund kalter Zeit.Auf dem Gummen im Jahr 135 ( 2135 n.d. Zt. )Ich erinnere mich - wie glitzerndes Wasser, wie grosse <strong>St</strong>röme breit in der Sonne liegen,wie Lehmfluten fett, nährend und doch alles mit sich reissend -ich erinnere mich, wie dieser Geruch war - Geruch alter Flüsse zwischen hohen,vermoosten Kaimauern, ein Geruch, der älter schien <strong>als</strong> alle Geschichte, der dieVergangenheit transportierte: ölverschmierte Frachtschiffe, weisse Ausflugdampfer mitwinkenden Gestalten, verbranntes Holz und tote Fische, knarrende Holzbohlen und dasRasseln von Eisenketten - solange es Eisen gab und gedrehte Seile - Menschenaufzuhängen, Schiffe zu vertäuen und Netze zu spannen.Und das Licht auf diesen lebendigen Fluten, wie das kühle Licht im Laub, wie dieverratene Liebe, die nicht zueinander kann und doch immer umeinander fliesst,aufeinander liegt, ohne sich zu berühren, ohne sich zu durchdringen, in allerVerzweifeltheit.Ich erinnere mich an die hellen Körper, an die schmalen Gestalten, an die Priesterinnenin ihren Roben, erinnere mich, wie die Gestalten der Opferheroen die Treppenheraufkamen und mit einer bestimmten Bewegung, die immer und bei allen gleich war,ihre Kutten abzogen, mit starren Augen und erhobenen Armen nackt dastanden - bis aufein weisses Tuch um die Hüften - erinnere mich, wie die Priesterinnen sie auf dengrossen <strong>St</strong>einblock legten, der Altar genannt wurde, und wie aus dem Schoss derdunklen Kaligottheit die einzige, die Grosse Priesterin trat - in der erhobenen Hand einebreite Klinge - ich erinnere mich, wie die Musik verklang, drei oder mehr Paukenschlägedie göttliche <strong>St</strong>ille einleiteten, die sich über den grossen Platz legte, über unsere Köpfewie Watte und einen <strong>Dr</strong>uck auf die Ohren senkte, der uns zittern machte und die Mösenfeucht.
107Ich erinnere mich, wie der Schnitt rot, quer zum hingestreckten Körper des Heros fuhrund das Zittern der Menge fort auf ihn übertrug - ich erinnere mich, wie seine Arme undBeine zuckten und der Kopf hochfuhr und ihr Arm tief hinein in diesen hellen,hängenden Körper, der leere Luft griff und dessen Arme dennoch seitwärts hingen -erinnere mich, wie ihr Arm rot herausfuhr, mit einem zuckenden, tropfenden Bündel inder Hand, erinnere mich an den Schrei der Menge um mich herum und an dentremolierend hoch einsetzenden Gesang der Elevinnen und die Bewegung, mit der zweiden hellen, hängenden Körper vom Altar hinunter stiessen in die breite Rinne zwischenKalistatue und Altar - dort, wo ihre heiligen Tiere am Grund des Grabens warteten,brüllend und aufgeregt und einen Geruch ausströmend, der oben die ganze Plattformausfüllen musste.Ich erinnere mich an diesen Tag und an unser Land, an die Siedlungen und <strong>St</strong>ädte,deren jede eine solche Plattform besass, auf der einmal pro Jahr und Region ausgeübtwurde, was auf dem Haupttempel sieben Tage lang stattfand - zelebriert von derobersten ab Sarga des ganzen Landes, sieben Mal, und am höchsten, dem vierten Tag,gleichzeitig und überall und im ganzen Land.Doch ich erinnere mich nicht, in meiner Jugend Menschen gesehen zu haben, die Handin Hand gingen, Leute, die sich unter blühenden Büschen küssten oder über Weingläserhinweg tiefe Blicke tauschten. Ich erinnere mich nicht, dass Mütter von ihrenBesamergruppen schwärmten oder Lehrerinnen von ihren Liebsten nach dem Unterrichtabgeholt wurden.Und ich erinnere mich vor allen Dingen nicht daran, ob wir `Sperlinge` und `WeissenRatten` das bemerkten, denn wir hatten ein jugendliches Gefühl für Ungerechtigkeitenaber Keines mehr für die Bedürfnisse der eigenen Innereien. An dieser <strong>St</strong>elle sass derGlaube. Wir wollten gar nicht die Frauenwelt abschaffen, nur weiter reisen und lauterlachen dürfen und der eigentliche Hunger war untergegangen wie ein matter, rostigerFrachtkahn im Frühlingswind.Hannah war eine eher zarter gebaute Gestalt. Als sie sich nach zwei Tagen vorsichtig inder Koje aufrichten konnte und zum Kajütentisch hinüber tasten, sah ich, dass sie mirnur bis zur halben Gesichtshöhe reichte. Ihr Haar hatte, <strong>als</strong> es begann, nachzuwachsen,einen blauschwarzen Schimmer. Das Gesicht war rundlich geformt, der Mund sehr klein,schmal, und ihre Augen sehr gross, dunkel, wie aufgerissen in ständigem Erstarrenstehen geblieben. Hannah zuckte bei jedem lauten Wort, bei jeder heftigen Geste, wiesie, durch Böen und Wellen bedingt, dauernd in diesen leichten Kuttern anfallen,zusammen. Kam es hin und wieder, was ja in der Enge und bei diesem tagelangenLiegen im Nebel nicht erstaunlich war, zu kleineren Wortgefechten oder Reibereienzwischen zwei Besatzungsmitgliedern oder auch zwischen uns, rutschte irgendeiner einheftiges Wort gegenüber den an Bord befindlichen Kindern heraus, denen es ja in dieserEnge sehr an Bewegungsfreiheit mangelte, was sie bockig und zickig machte, zumalBuntstifte und Papier durch die Nebelverzögerung im Watt ausgegangen waren, so zogsie sich augenblicklich in ihre Koje zurück und weinte dort ängstlich still vor sich hin.Jan-San war ebenfalls eher von kleiner, fast hagerer <strong>St</strong>atur. Bekümmert sah er dasLeiden seiner Geliebten, lief nervös hin und her, wenn sie weinend in der Koje lag und
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