13.07.2015 Aufrufe

vollständig als pdf - Dr. Martina Schäfer, St. Gallen

vollständig als pdf - Dr. Martina Schäfer, St. Gallen

vollständig als pdf - Dr. Martina Schäfer, St. Gallen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

154konnten.Alle Landschaften im Einzugsbereich grosser Wasserflächen sind wärmer, milder, wie dierau-trockenen Hochebenen der Gebirge oder die karstigen Kontinent<strong>als</strong>teppen. Dennochliegen Welten zwischen der milden Süssigkeit des Südsees und der träumerischenSanftheit der nördlichen Salzmeere.Vielleicht ist es das Licht, vielleicht der Geruch vergorenen Obstes, der mich wohl selbstbei geschlossenen Augen erkennen lassen würde, an welchen Ufern ich stehe, welchesWasser meine Zehen netzt. Wohl sicher das Salz, dass die Lippen im Norden streichelt.Nur nördliche Winde küssen wirklich so, dass frau sie spüren kann, die südlichen sindwie das höfliche Lippenstreifen freundlich distanzierter Bekannter.Ich hatte in diesen beiden Tagen kaum irgendwo ausruhen oder gar schlafen könnenAusser einer markanten Magerkeit, die ich leider im spiegelnden Seewasser nur soungefähr begutachten konnte zeichnete sich der Schlafmangel der letzten Tage hagerasketischin meiner Mimik ab, denn ich hatte mir ja bereits die Kindentführungsnacht umdie Ohren geschlagen. Nun dämmerte es, die vierte Nacht meldete sich mit leichtenSchleiern über dem See an, während da und dort jenseits der Wasserfläche undzwischen den Bäumen des Landes die ersten Lampen in Häusern, Dörfern oderFahrzeugen, die einige hundert Meter vom Ufer entfernt durch das Land RichtungConstantia zogen aufglimmten.Dieses Aussehen würde mein Vorhaben fördern.Ich lief direkt am Seeufer entlang und sah nun drüben im See die Ausläufer derHalbinsel Zell liegen, während dahinter der Himmel rot durch die Dunkelheit zu glimmenbegann: Constantia, die Tempelhauptstadt in festlicher Beleuchtung, zweiundvierzig<strong>St</strong>unden vor dem Beginn der grossen Kaliriten, der Inthronisation der neuen, jungen abSarga Maja Margasdott und ihrem ersten, öffentlichen Opfermord.In den letzten Tagen war der Verkehr um Constantia bereits dichter geworden. DieAufmerksamkeit der Husarenuniformen, die sich nun allenthalben hier herumtrieben, umdie allerheiligste Region vor den weniger heiligen Protestlerinnen zu schützen, liess einwenig nach. Die Ungeheuerlichkeit, dass der Top Elevin ein Mädchen abhandengekommen war, wurde anscheinend geheim gehalten. Soweit ich das bei meinemGewaltmarsch über den Landrücken feststellen konnte, war nicht einmal eine Sucheorganisiert worden. Schliesslich hatte man, so kurz vor den höchsten Weihen, einGesicht zu wahren! Vermutlich würde man früher oder später ein Bulletin über dietragische tödliche Kinderkrankheit der Kleinen herausgeben, was das Flair einer MagnaMater nur erhöhen konnte und Mayas Trauer in der Öffentlichkeit sogar ein legitimesGesicht verschaffte. Vielleicht würde das Leid um dieses scheinbar verstorbene Kindauch einen feinen Vorwand für Maja abgeben, sich tatsächlich nie wieder weiterenZuchtversuchen stellen bzw. legen zu müssen!Dass die schlimmste aller Protestlerinnen sich ausgerechnet im Zentrum der Weihen, insgut behütete Constantia wagen würde, damit rechnete niemand. Ich hatte auchkeinerlei Vorstellungen davon, welche Ängste oder Hoffnungen meine nächtlicheBegegnung mit dem fremden Mädchen im Arm in Maya geweckt hatten, ob sie meinenAuftritt in ihrem Schlafzimmer überhaupt realisiert hatte oder am nächsten Morgen nuran einen flüchtigen Traum dachte, geboren aus ihrer Hoffnung, ihren Ängsten und dazuda, schleunigst verdrängt und abgetan zu werden.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!