40Aber ich vergesse mein Leben lang nicht die aufgerissenen Augen meiner leichtsinnigen,sauberen Peinigerin, die so sicher und so grausam war und doch selber so zerstört, undderen perverse Selbstsicherheit sie getötet hatte. Sie hatte sich in mir getäuscht, in mir<strong>als</strong> Opfer. Sie hatte meine Liebe beneidet, daran teilgenommen, sie hatte unterschätzt,was sie in ihrer eigenen Weise nicht zerstören konnte und was vielleicht längst in allenmöglichen Trümmern der Anpassung trotzdem steckengeblieben war. Sie hatte meinenHass unterschätzt und die Fähigkeit, den Selbsthass, der aus der immensenBeschmutzung permanenter Vergewaltigungen entsteht, wieder dorthin zu lenken,wohin er gehört: In den gewissen, ungeheuer sicheren Hass auf alle Unterdrücker undUnterdrückerinnen in dieser Welt, in dieser verzweifelten Lust, sie blutend zu sehen:Kastrierte Vergewaltiger und erstochene Machtmissbraucherinnen - das war letztendlichWurzel und Kraft unserer neuen Frauenkulturen - - - Wurzel, Kraft und neues Übelnest.Ich werde es nie vergessen, denn ich hatte es getan. Ich hatte entschieden, mich zubefreien, was immer es meine Seele oder andere kosten würde. Ich hatte die schmaleBrücke vom Opfer zur Täterin überschritten: Sie ist sehr schmal und gepflastert alleinvon den <strong>St</strong>einen der Unwissenheit und der Unsicherheit.Doch dam<strong>als</strong>, Jahre zuvor, <strong>als</strong> ich jünger war, verdammten mich Sitte und Vorrecht zurreinen Beobachterin.Erinnerungen an das Jahr 75 ( 2075 n. d. Zt. )"Wenn du nur zuschaust", sagte meine Mutter, <strong>als</strong> sie mit mir die septemberwarme, bereitsausgestorbene <strong>St</strong>rasse zum Zentralplatz herab lief, "bleiben wenigstens deine Hände sauber, undzu meiner Zeit gab es einen Gott, den allein die sauberen Händchen seiner Engel interessierten.""Und wer macht sich die Hände schmutzig?" Fragte ich, pubertär schlecht gelaunt hinter ihrdurch die spätsommerliche <strong>St</strong>adthitze schlurfend."Die Magna Matres - ihr Name sei gelobt - tatsächlich." Sie machte die rituelle Demutsgeste undzog die schwarze Kapuze über ihren Kopf. Als ich störrisch insistieren wollte und trotzig stehenblieb, stiess sie mich in den Rücken und zerrte mir ebenfalls die Kapuze über den Kopf."Halt' die Klappe. Sie sind da vorne bereits bei der Schweigeminute."Und dann ist da in meiner Erinnerung nur noch Schwärze und Schweigen, viele schwarzeGestalten auf einem gewitterschwülen, weiten Platz, Schweigen und ein endlos hoher Schrei, <strong>als</strong>rissen die Himmel auseinander vor der Gewalt des ersten Blitzes in einer Nacht.Auf dem Gummen im Jahr 135 ( 2135 n. d. Zt. )Doch das war vielleicht viel später. Vielleicht war da gar kein Gewitter gewesen, dam<strong>als</strong>bei meiner ersten Teilnahme an den Kaliritualen. Erst Jahre danach, eine Art geschützteErsatzerinnerung und Mayas Satz: "Die Opfer - wenn ich die <strong>St</strong>elle meiner Muttereinnehme - die Opfer!"Ich werde nie vergessen - und habe so viel vergessen.Ich sah Mayas Hände neben mir auf irgendeinem Geländer liegen. Sauber und gepflegt,ohne Laugenrisse und abgeknabberte Fingernägel, lang und kräftig zugleich, wie dieHände einer Musikerin, geboren, eines Tages eine Klinge aufblitzen zu lassen und ein
41Herz aus einem zuckenden Körper herauszureissen, mit einem bestimmten, langeeinstudierten Griff. Ich hörte ihre <strong>St</strong>imme und konnte ihr nicht ins Gesicht sehen, <strong>als</strong> siemir beschrieb, wie die Elevinnen an jungen Schafböcken diese blitzartige Tötungsartübten, denn ich selber gehörte einer Gruppe an, die illegal im Untergrund schiessenlernten: Zielen, schiessen, mit alten, überlieferten Armeewaffen, auf die weissausgezogene Silhouette sterblicher Männer und Frauen vor dem schwarzen Hintergrund."Wir schneiden die Haut am Bauch auf und stossen die Faust durch das Zwerchfell, wirgreifen das Herz und reissen es heraus. Angeblich soll es sehr schnell gehen, und ichhabe auch noch nie einen Bock schreien hören.""Er weiss auch nicht, was geschieht.""Nein - aber die Heroen stehen in der Endphase unter <strong>Dr</strong>ogen, und vorher melden siesich freiwillig." Sie senkte den Kopf. "So sagen sie jedenfalls."Ich werde ihre Hände nie vergessen, Hände, die ich vor solchen Dingen bewahrenwollte, Hände, die sich plötzlich um das Geländer schlossen:"Und ich erreiche es - Jo!" Sie schaute mich an, und ihr Blick setzte meine Kniekehlen inFlammen. "Ich werde diejenige sein, die solche Übergangsriten abschafft -" Sie ergriffmeine Hände. "- koste es, was es wolle."Es hätte beinahe unser Leben gekostet und doch so viel mehr: Ihren angepasstenAufstieg in die höheren Chefetagen, um Einfluss zu erringen, unsere Liebe. Und eskostete das Leben des properen Jäckchens mit der perversen Fantasie, das Leben einerunbekannten Uniform, deren Gesicht ich nie gesehen hatte und deren plumperAufschlag auf dem Flachdach der Villa Garbo erst Jahre später in mein Bewusstsein, inmeine Erinnerungen dringen sollte, wie das blutige Zucken der Geopferten vor denTempeln der Kaligottheiten.
- Seite 1: 1Martina SchäferH E R O S T O DWid
- Seite 4 und 5: 4Register der wichtigsten Personen
- Seite 6 und 7: 6Groschenromane! Diese Groschenroma
- Seite 8 und 9: 8Es war auch sonst nicht mehr, was
- Seite 10 und 11: 10ist es. Ich belüge Sie schon nic
- Seite 12 und 13: 12postpatriarchal gekennzeichnet. I
- Seite 14 und 15: 14kleinen Mädchen oder Säuglinge
- Seite 16 und 17: 16Atem rauben konnten. Das gleiche
- Seite 18 und 19: 18sodass die Hunde genügend Zeit h
- Seite 20 und 21: 20von Jugend auf!Der Park der Villa
- Seite 22 und 23: 22Unter einem Küchenfenster führt
- Seite 24 und 25: 24hatten, dass nicht die Armut nack
- Seite 26 und 27: 26"Es gibt andere Werte!" Sie griff
- Seite 28 und 29: 28Brüste. Ich verfluchte den Mange
- Seite 30 und 31: 30verboten und wurden, soweit das m
- Seite 32: 32Blutung das erste Mal in Anspruch
- Seite 35 und 36: 35Seite der Mauer angekommen war.Dr
- Seite 37 und 38: 37Seine Frau tanzte aussen herum mi
- Seite 39: 39Husarenuniformjäckchen und schlu
- Seite 43 und 44: 43Zartheit und Leichtigkeit einst a
- Seite 45 und 46: 45Ich hatte das Meer geliebt, das M
- Seite 47 und 48: 47"Mit Anzug und Bleischürze, wie
- Seite 49 und 50: 49ihn als Puppenbettchen gebraucht.
- Seite 51 und 52: 51Männer selber!""Das war an Bord
- Seite 53 und 54: 53räusperte sich indigniert."So et
- Seite 55 und 56: 55und stossend daran, ihre Beine au
- Seite 57 und 58: 57versammeln sich hier viel zu viel
- Seite 59 und 60: 59gesamte Erdgeschoss einnahm, sah
- Seite 61 und 62: 61heisse Blutwurst! Bis dann." Er s
- Seite 63 und 64: 63erhalten, was ihnen die Männer n
- Seite 65 und 66: 65Welches Leben ihnen diese Kraft,
- Seite 67 und 68: 67Laura starrte mich störrisch an.
- Seite 69 und 70: 69länger als das Bett, reichte der
- Seite 71 und 72: 71Schule abhalten, Versammlungen -"
- Seite 73 und 74: 73"Ja. Du bist ein gutes, einsichti
- Seite 75 und 76: 75hier praktizierten Christentum zu
- Seite 77 und 78: 77brühte das wertvolle Pulver auf
- Seite 79 und 80: 79"Gab es denn solche Themen bei eu
- Seite 81 und 82: 81Doch dieses Klassenzimmer, das wa
- Seite 83 und 84: 83"Ja, Ella. Und vielleicht Sarah u
- Seite 85 und 86: 85"Das ist egal!""Meinst du denn, d
- Seite 87 und 88: 87"Du denn?"Sie lächelte. "Als bra
- Seite 89 und 90: 89gesund sein. Die meisten Mädchen
- Seite 91 und 92:
91werdenden Oberpriesterin, dann sa
- Seite 93 und 94:
93Veränderungen eintreten zu könn
- Seite 95 und 96:
95Erwins Mutter, sie hatte noch dre
- Seite 97 und 98:
97Gemeinschaft auszuarbeiten. Ausse
- Seite 99 und 100:
99weiss, ob es sie da draussen wirk
- Seite 101 und 102:
101und erst kürzlich verheilt schi
- Seite 103 und 104:
103Tritte und Stimmen."Bleiben sie
- Seite 105 und 106:
105denn die Geschichte nicht gezeig
- Seite 107 und 108:
107Ich erinnere mich, wie der Schni
- Seite 109 und 110:
109bremsen und ergänzte die Aufzä
- Seite 111 und 112:
111"Geh' mal." sagte sie, Nebel und
- Seite 113 und 114:
113leichtesten Flügelschlag eines
- Seite 115 und 116:
115hinter sich und sind schon am En
- Seite 117 und 118:
117Ich nickte erstaunt und sah plö
- Seite 119 und 120:
119wir in den Wald? Ausser -" Sie l
- Seite 121 und 122:
121Leben aus, ihren Ausbildungen, n
- Seite 123 und 124:
123"Wann hast du das letzte Mal ges
- Seite 125 und 126:
125Wir schüttelten alle drei die K
- Seite 127 und 128:
127verstehen. Irgendwie gibt es imm
- Seite 129 und 130:
129"Da das anscheinend an der Grenz
- Seite 131 und 132:
131Ich schüttelte den Kopf. Shulam
- Seite 133 und 134:
133Arme reckten, Segelschiffe in st
- Seite 135 und 136:
135Die Sologeigerin spielte auch na
- Seite 137 und 138:
137Ich ahne, dass Du danach endgül
- Seite 139 und 140:
139Tropfen in seinen alten Augen, u
- Seite 141 und 142:
141Dämmerung unter den Tannen schi
- Seite 143 und 144:
143Neugierde, das Lieblich Klingend
- Seite 145 und 146:
145vorhin der See."Von hier nehmt i
- Seite 147 und 148:
147Sie schaute mich. "Hast du dir d
- Seite 149 und 150:
149Fussende von Mayas Bett, tatsäc
- Seite 151 und 152:
151den Einbaum aus dem Wasser zogen
- Seite 153 und 154:
153Fünftes Buch:HerostodDer Südse
- Seite 155 und 156:
155Dagegen sprach aber sicherlich d
- Seite 157 und 158:
157Die beiden Husarenuniformjäckch
- Seite 159 und 160:
159heraus, wegen der Krankentranspo
- Seite 161 und 162:
161"Wir werden nicht gefragt. Es da
- Seite 163 und 164:
163Er hatte mich auf den Rücken ge
- Seite 165 und 166:
165Ich rüttelte den jungen Mann un
- Seite 167 und 168:
167bitte nicht mehr an."Kurz darauf