114gleiten liess."Hm, absolute Schwäche, Mangelernährung, na, und noch irgendetwas. Ihr müsst sieins Krankenhaus bringen!""Wohin?" Ich starrte die Fälscherin an, welche in einem altmodischen, schwarzen,langen Rüschenkleid und hoch geschnürten <strong>St</strong>iefeletten vor uns stand. "Was für einHaus?""Ich denke, sie sind weit gereist? Johanna Helgesdott." Ulk war circa sechzig Jahre alt,hatte einen grauen Haardutt, der immer nahe daran war, sich aufzulösen und hob nunein Lorgnon, welches an einer goldenen Kette vor ihrer Brust baumelte, an die Augen,<strong>als</strong> hätte sie mich nicht bereits eindringlich während dem Retuschieren unserer Fotosbetrachtet."Ein Krankenhaus ist ein Ort, wo kranke Leute hinkommen, die sich nicht selber helfenkönnen! Das würde euch zwei hustenden Helden übrigens auch nicht schaden. EureHannah ist in diesem <strong>St</strong>adium, falls ihr das noch nicht bemerkt haben solltet!" Siefunkelte Jan-San böse an, der verwirrt stotterte: "Ja, aber was sollten wir tun?""Seid froh, dass sie euch nicht in den grünen Ebenen des Niederlandes umgekippt ist!Dann hätten sie euch mehr <strong>als</strong> nur die Haare abrasiert!" Sie zog heftig an einer Schnur,die oben an der Decke in einem Loch verschwand, wie von ferne hörten wir kurze,abgehackte Klingelsignale."Das ist der Notruf." Sie ging neben Hannah in die Knie, nahm ihre Hand, fühlte denPuls und zog ein Augenlid herunter. "Total anämisch. Könnte meinen, sie sei schwangergewesen!""War sie auch!" warf ich ein."Ich hörte davon. Ihr seid diese Trottel, die ein Baby im Winter aus den Heiligen Hainenstehlen wollen." Sie stand auf und zog eine gefaltete Decke von einem Aktenschrankherunter, die sie staubend ausbreitete und über Hannah legte. "Brrr!" Ulk nieste. "Gut,dass ich keine Kommerzielle bin. Das wäre unbezahlbar für euch!" Sie deutete auf diePässe. "Aber wenn ich euch raten darf. Lasst den Unsinn bleiben! Ihr seid jung undschön. Geht mit ihr woanders hin! Lasst euch nieder, zeugt oder klaut sonst wo Kinder,so viele ihr wollt, überredet sie, davon abzulassen! Sie kann ja jetzt schon nicht mehrweiter!"Hannah musste die letzten Worte doch gehört haben und versuchte verzweifelt, sichaufzurichten."Nein!" flüsterte sie. "Nein!"Ich schüttelte den Kopf, während Jan-San nur hilflos von einer Frau zur anderen starrte.Sein Traum stand ihm auf der <strong>St</strong>irne geschrieben: Er wäre gerne mit Heinrich und denAnderen weitergefahren, hätte sich <strong>als</strong> Kleinbauer auf dem friedlichen abgelegenenLolland niedergelassen und ein altfränkisches Familienleben geführt. Doch das war ihmnicht mehr gegeben. Die Liebe band ihn an Hannahs Suche, die, vielleicht ähnlich wiemeine, weit über das platte "Wiederhaben-Wiedersehen" hinausging, und die Fragenach dem Wesen allen Liebens selber mit einschloss, die vielleicht schon immer fürdiese sterblichen Männer so sehr viel leichter zu beantworten war wie für uns Frauen.Es klopfte kurz, zwei junge Männer mit Bahre traten ein, gefolgt von einer Frau, dieetwa in meinem Alter war."Da haben wir den Salat, Shulamith! Haben noch nicht einmal die Hälfte ihres Weges
115hinter sich und sind schon am Ende!" Ulk erhob sich ächzend und zog sich hinter ihrenSchreibtisch zurück. Über das Gesicht der anderen Frau flog etwas wie der Schatteneines Lächelns, und sie meinte mit einem weichen, südlichen Akzent, der sie,insbesondere das 'R', wie mit einem Mund voller Wasser sprechen liess:"Immerhin, zwei stehen noch." Sie zog ein <strong>St</strong>ethoskop aus der Tasche, hörte Hannahab, fühlte den Puls und drehte ihren Kopf leicht hin und her."Das sind die mit dem Baby, du weisst schon. Pit schickt sie!" Ulk schob das Binokularbeiseite, pustete bissig auf die Ausweise, klopfte sie kurz wie ein Kartenspiel auf demTisch zusammen und schob sie mir herüber."Ich weiss." Shulamith bedeutete den jungen Männern, Hannah auf die Bahre zu legenund richtete sich wieder auf, "Haben Sie die Blutung bemerkt?" Sie wandte sich an Jan-San. Der nickte. "Wie lange schon?""Seit ungefähr fünf Tagen."Sie nickte bestätigend. "Kommt mit. Ihr könnt euch im Krankenhaus baden, essen undausschlafen." Sie wandte sich mit den Trägern zur Tür. "Adio, Ulk." Sie lächelte überihre Schulter zurück, ein Lächeln, das kaum die sehr ernsten Winkel ihrer schwarzenAugen berührte."Adio, Shulamith. Rede diesen Kindern ihren verrückten Plan aus!" Kopfschüttelndbeugte sich Ulk bereits wieder über ihre Arbeit, während wir hinter Shulamith und derBahre auf ein wartendes, längliches Fahrzeug zugingen. Hinter dem <strong>St</strong>euer sass eineweitere Frau, die uns neugierig musterte. Als wir uns mit den Trägern neben der Bahreniedergelassen hatten, nickte Shulamith kurz. Das Fahrzeug fuhr durch die unterirdische<strong>St</strong>rasse davon. Sie drehte sich zu mir herum."Wir haben in diesem Sektor zwei alte Krankenhäuser wieder reaktiviert. Es gibt abernoch mehr im ganzen Ruhrloch. Wir sind gewissermassen spezialisiert auf Leute wieeuch: Unterernährung, schwere Verletzungen, Unfallchirurgie."Jan-San sah sie fragend an."Auch Schusswunden zum Beispiel. Die Schmuggler leben gefährlich. Ihr seid nicht dieeinzigen, welche die gelobten Länder fliehen." Sie drehte sich wieder nach vorne, dasFahrzeuge verliess die dämmrigen, überdachten Gänge, drehte auf und raste zwischenHäuserruinen und Schutthalden hindurch, die zum grossen Teil mit Birken bewachsenund von Brombeerranken dicht überzogen waren."Habt ihr keine Angst, erwischt zu werden?"Shulamith schüttelte, ohne sich umzudrehen, den Kopf und die Fahrerin ergänzte:"Ruhrloch ist in weiten Teilen wirklich autonomes Gebiet. <strong>Dr</strong>üben, über Reckling, habendie Typen vor ungefähr zehn Jahren alte, grosse Waffen gefunden und regelmässigHubschrauber vom Himmel geholt. Dann gab es da ein wüstes Bombardement. Seitdemist es ruhig, von oben wie von unten!"Wir bogen in eine schmale <strong>St</strong>rasse ein, die durch dichtes, dunkles Waldgelände führte."Das ist der ehemalige Park. Nun deckt er dieses Haus."Der Flachbau war zwei <strong>St</strong>ockwerke hoch und circa dreihundert Meter lang, getarnt inähnlichem Prinzip wie die Häuser von Udars: Birken und Tannen wuchsen auf demDach. Sie vermittelten von oben vermutlich den Eindruck eines kleinen Waldhügels.Hannah wurde hinein getragen, Shulamith übergab Jan-San und mich der Fahrerin, dieuns bereitwillig die Waschräume zeigte, tatsächlich sogar saubere Kleidung auftrieb und
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