30verboten und wurden, soweit das möglich war, durch sehr raueResozialisierungsmassnahmen sanktioniert.Als mir die Tränen in die Augen schossen, begriff ich die perfide Sicherheitslust derHusarenuniform. Ich konnte gar nicht anders, <strong>als</strong> instinktiv das Knie anzuziehen, um siefort zu stossen. Sie schlug mich heftig ins Gesicht und drückte meinen Kopf gegen dieharte Bettkante."Und wenn ich das beschreibe?""Das wirst du nicht - wenn du irgendwann mal eine Chance haben willst, auf gerademWege hier herauszukommen!"In Mayas Briefen fand ich keinen weiteren Hinweis, nur diese langsame Zunahme einesresignativen Rückzuges, eine Art Verzichtshaltung, die in jenem Satz des letzen Briefesendete, der mich in den Park zum Morgenlauf getrieben hatte. Natürlich wolle sie mirweiter beistehen. Doch Worte wie "gebrochen", "Aufgaben" und "Gemeinschaft"bildeten einen seltsamen, traurigen Gegenton zu den stillen Versicherungen ihrer Liebe."Wie soll ich leben -" so schrieb sie - "ohne Dein Lachen, und kann nicht sterben, da dasim selben Moment auch Dein Ende wäre? So sagen sie jedenfalls. Wie soll ich lebenohne unsere Freiheit? Vielleicht, indem ich Ziele setze und versuche, meinen Platzeinzunehmen, einen Platz voller politischer Einssüsse, voller Macht?"Darauf folgte jener Satz mit dem geraden Weg und die Frage "Keine kann so langewarten, denn der Preis ist zu hoch."Nein - sie konnte nur eines gemeint haben mit ihrem "geraden Weg": Den Verzicht. Undes war wohl ein reiner Zufall, dass meine saubere Ausbeuterin dasselbe Wort gewählthatte.auf dem Gummen im Jahr 135 ( 2135 n. d. Zt. )Natürlich gab es Techniken, den Frieden zu erhalten. Soziale Massnahmen, die bis zudiesem Zeitpunkt Enklaven, wie unser Dissidentinnendorf hier oben mit gläsernenWänden umgaben, denn eine Frauenwelt ist eine reine Welt, und Schuld oderWiderstand reduzieren sich auf den Aspekt einer mehr oder weniger gelungenenSozialisation. Manchmal reicht schon ein bisschen watteweiche Tolerierung, um eineBewegung mundtot zu machen.Die Trennung in reine Frauen- und Männergesellschaften hatte die Anzahl der täglichenVergewaltigungen auf Null reduziert. Die zu uns gehörende Männerkolonie lag im Gebietder oberrheinischen Tiefebene. Grosse <strong>St</strong>ädte waren dort geschleift worden, die Männerlebten in Sozialgemeinschaften zwischen dreihundert und dreitausend Individuen, vieleauch auf Einzelgehöften und in kleineren Weilern mitten zwischen den wiederausgebreiteten und gesundeten, hohen, dichten Tannenwäldern der flankierendenGebirge.Mit dem ersten Zahnwechsel verliess ein Junge seinen mütterlichen Haushalt undwurde, sehr behutsam und mit den Zwischenformen von Knabeninternaten, die überallin den Grenzregionen zwischen den Frauenländern und Männerprovinzen vonzuverlässigen Pädagoginnen geführt wurden, auf sein Leben in der Kolonie vorbereitet.
31Während dieser ersten zehn Schuljahre lernten die Jungen alles Wissenswerte zumLeben, wählten sich ihren Beruf oder ihr <strong>St</strong>udium, das sie dann an einem der höherenKollegs weiter Kolonieeinwärts absolvierten. Sie entschieden sich für die ihnenzusagende Lebensform und die Grösse der Gemeinschaft, der sie beitreten wollten, siereisten sehr viel in der Kolonie herum und lebten auch zeitweilig in verschiedenenMännergemeinschaften, um sich wirklich gut und auch sicher entscheiden zu können.Hatten sie die ihnen zusagende feste Lebensform gefunden sowie einen Beruf zwei,drei Jahre ausgeübt, wurden sie in zeitlichen Abständen durch denRekrutierungsausschuss auf ihre biologischen und sozialen Fähigkeiten und Anlagen hinumfassend untersucht. Ihre Erzieherinnen und Ausbilder wurden gehört, ihreLeistungsfähigkeit, soziale Integrität und Bereitschaft zu politischem Engagementgetestet. Jeder junge Mann hatte die Chance, zum Zeuger aufzusteigen, was besonderePrivilegien und Reisen in andere Landesteile mit sich brachte. Um den technischenAufwand gering zu halten, wurden nämlich nicht mehr tief gefrorene Samenspenden andie einzelnen Frauenländer versandt, wie zu Beginn der Frauenzeit, sondern die Frauenvertrauten nach drei Generationen friedlicher Welt auch den Männern wieder soweit,dass der Samenbringer selber dorthin beordert wurde, wo seine Fähigkeiten und seinSamen gebraucht wurden. Natürlich geschah die Samenübergabe auf aseptischemWege und nicht durch direkte Kopulation, um die Frauen nicht zu beschmutzen.Schliesslich sind Frauen keine Tiere, die durch aufspringende Bullen oder Hengste direktbesamt werden können. Ausserdem zog man es auch allgemein vor, männlicheKleingruppen zu schicken, damit der Illusion von Verwandtschaft zwischen Samenträgerund Kind von vorneherein ein Riegel vorgeschoben wurde, denn eine Erkenntnis standzutiefst am Beginn unserer Welt und definierte ihr Selbstverständnis bis in alleGrundfesten: Frauen und Männer sind solch unterschiedliche Spezies, dass es absolutkeinerlei Verwandtschaft zwischen Frauen und Männern gibt!Einige Knaben allerdings, insbesondere solche, die sich sehr früh für ein Priesteramtentschieden hatten und die <strong>als</strong> besonders vertrauenswürdig galten, wurden inabgesonderten, heiligen Hainen versammelt und trugen in direktem physischen Kontaktzur Vermehrung der Eliten bei: Ehe die Herosaspiranten ihren Opfergang antraten,mussten sie, inkognito, die Mädchen der Magna Matres mittels direkter Kopulationzeugen, und durften eventuelle Jungengeburten, <strong>als</strong> ganz besonderes Privileg, in ihreneigenen Tempelbezirken wiederum zu Priestern, Heroen oder zeugenden Knabenausbilden.Einmal im Jahr, in der schwarzen Zeit, nachdem die blühende Natur sich zurückzogenhatte und die Nächte länger wie die Tage waren, fanden die grossen Riten statt,wichtige dunkle Rituale, deren besonderer sozialer Sinn darin bestand, möglicheAggressionen, Hass, antisoziale Triebe zu kanalisieren und umgewandelt der GöttinErde, der Mutter allen Lebens zukommen zu lassen: Zur Wintersonnenwende wurdendie Kalistatuen auf die öffentlichen Plätze vor die Tempel getragen und auf ihremSchoss, zum Ausgleich und zur Sühne, in Gestalt der Opferheroen das Blut jenesGeschlechtes durch die Hand der obersten Priesterin vergossen, das selber Jahrtausendelang seine Macht auf Blut, Tränen und Tod von Millionen Frauen begründet hatte.Ich versuchte lange Zeit hindurch vergeblich, mich zu besinnen, jenen Tag zu erinnern,da ich das erste Mal mit hinaus vor den grossen Tempel trat, um mein Recht der ersten
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