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vollständig als pdf - Dr. Martina Schäfer, St. Gallen

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71Schule abhalten, Versammlungen -""Kirche" ergänzte Anna, wieder etwas mutiger geworden, fürwitzig hinter meinemRücken."Toll!" rief der Junge. "Gut, dass ich mal nicht mit den Schweinen mit bin!"John zögerte."So ohne Absprache - das hätten wir vorbereiten müssen. Anna, Erwin, marsch in dieKlasse!" Er schickte die Kinder den Gang hinunter. "Na ja, gut. Irgendwie müssen Sie jamal anfangen. Sitzen schon lange genug hier herum. Aber erwarten Sie nicht zu viel."Ich folgte ihm durch den Gang, von dem links und rechts je eine Türe abgingen."Hier wohnt Kai-Ten, mein Hilfslehrer." Er deutete auf die linke Türe. "Rechts ist dieDorfbibliothek. Sie können nach dem Unterricht einen Blick hineinwerfen."Der Gang endete ebenfalls mit einer Türe, durch die nun helles Licht und Kinderstimmenin den dunklen Flur fielen. Anna und Erwin schlüpften hinein. John hielt die Türe fürmich noch weiter auf. Mit Erstaunen sah ich den grossen, hohen, hell geweissten Raum,dessen Decke in mindestens drei Meter Höhe <strong>St</strong>uckverzierungen sowie einen kleinen,glitzernden Kristalllüster trug."Der letzte <strong>vollständig</strong> erhaltene Raum des Herrenhauses. Wir haben ihn <strong>als</strong>Klassenzimmer hergerichtet, damit unsere Kinder, ein bisschen wenigstens, das Gefühlfür unsere alte Kultur erhalten." <strong>St</strong>olz wies er auf die Tafel, die vor einer Reihe uralter,zerkratzter Schultische und Bänke stand. "Die Tafel haben uns die Schmugglergeschenkt. Unser modernstes Unterrichtsmedium." Er lächelte verstohlen, was ihn fastsympathisch machte."Und die Bänke?""Alles selbst angefertigt. Holz haben wir ja genug. Echt deutsche Eiche. Mein Vater hatsie noch gezimmert. Aber Sie sehen ja, selbst bei uns finden die Kinder immer wiederdie Gelegenheit, ihren Unsinn hineinzukratzen."Die Kinder schwiegen bei unserem Eintritt, Anna und Erwin huschten auf ihre Plätze.Pater John baute sich vor der Klasse auf."Hört her! Heute haben wir Besuch. Johanna will der Welt über unsere Gemeinschaftberichten, damit auch alle anderen Menschen ein Bild davon bekommen können, was esheisst, unter Gottes Hut zu leben.""Und sie will mit der Schule anfangen" fuhr er mit erhobener <strong>St</strong>imme fort, um einengekicherten Zwischenruf, "Gottes Mütze!", tadelnd zu übertönen. "Heute Morgen habenwir Religion. Das trifft sich sehr gut!" Er warf mir einen bezeichnenden Blick zu unddeutete auf eine der hinteren, grösseren Schulbänke, die leer waren. Erwin hockte nurzwei Plätze weiter vorne und strahlte mich stolz an."Kriegt Anna keine <strong>St</strong>rafarbeit, weil sie zu spät war?" Liess sich nun ein <strong>St</strong>immchen ausder ersten Reihe vernehmen, und für einen Moment ging ein unruhiges Geflüster durchdie Reihen."Petze - ist doch gerecht - blöde Kuh!""Aeh, nein." John blickte unruhig zu mir hinüber. "Sie ist sicherlich zu spät, weil sieunseren Gast hergebracht hat, stimmt's?" Er beugte sich vor und nahm Annas Kinnhoch, die verlegen den Kopf zur Seite wendete."Sie hat wieder ins Bett gemacht" drängte Lena sich aberm<strong>als</strong> vor, und Anna wand sichsichtlich vor Verlegenheit.

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