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vollständig als pdf - Dr. Martina Schäfer, St. Gallen

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167bitte nicht mehr an."Kurz darauf vernahm ich das Klappern des Bestecks und ein Klirren. Er kam insSchlafzimmer herüber und lachte."Weisst du, was ich gemacht habe?""Nein!" Ich schaute unter der Pritsche hervor."Der Kalistatue das <strong>Dr</strong>ogenessen an den Kopf geworfen.""Wenn sie die Schweinerei sehen?""Ich nehme die Kutte draussen in Empfang, wie vorhin schon das Essen, denn meineRäume riechen nach einer merkwürdigen Mischung aus Liebe und Hundekot." Er fuhrmir zärtlich über den kahlen Kopf, den ich unter seiner Pritsche hervorstreckte. "Schlafnoch ein bisschen, du Traumfrau eines frustrierten Heroen. Der Spass war wie einheilsames, reinigendes Bad, was du übrigens auch noch dringend nötig hast, ehe mandich zu den heiligen <strong>St</strong>ufen hinführen kann!"Einige Zeit später erschien er mit einer Schüssel schön duftendem, warmem Wasser,liess seine Schnapprouleaus vor den Fenstern herab und half mir dabei, mich zusäubern, dann tauschten wir die Kleider, ich band mir die Brust mit Pan-Tens Hilfeaberm<strong>als</strong> ein, zog das rituelle Hemd über und die Kapuze der Kutte tief über meinenKopf. Pan-Ten kroch unter das Bett und von nun an warteten wir schweigend auf denAbend.Es war dämmrig, <strong>als</strong> die Abordnung aus Constantia kam, mich zu holen. Man liess michin eine Art Fahrradrischka steigen, die von drei Ordonanzen auf Motorrädern langsamschnurrend begleitet wurde. Der Rikschafahrer drehte mir den Rücken zu und dieOrdonanzen achteten mein Schweige- und Verhüllungsgelübde. Anscheinend äussertendie Opferheroen öfters individuelle Ritualwünsche, die ihnen auch gewährt wurden. Daswar wohl so eine Art geistige Henkersmahlzeit, da für diese Menschen das Essen selberja begreiflicherweise grundsätzlich nie so wichtig war.Wir fuhren durch das Gittertor, an den inzwischen abgelösten Wachen vorbei und ichschielte vorsichtig hinaus und links zur Seite, wo ich meine verschnürten Opfer immernoch vermutete. Ich konnte sie zumindest nicht mehr liegen sehen. Vielleicht waren siedoch irgendwann durch einen Händler oder Bauern, der über den Damm fuhr entdecktworden. Trotzdem hatte anscheinend keine Wächterin Verdacht geschöpft. Ihre Suchemusste sich auf andere Teile des weitläufigen Geländes bezogen haben. Niemandvermutete, dass ich mit dem obersten Heros gemeinsame Sache gemacht hatte. Ichkonnte nur hoffen, dass sie ihn nicht zu früh unter der Pritsche entdeckten, um meinenAuftritt zu verhindern. Und wünschte ihm sehr, mit heiler Haut aus dieser Geschichteherauszukommen.Im Keller unter dem Tempel wurde mir die letzte, mit <strong>Dr</strong>ogen versetzte Mahlzeitgereicht, die ich auch mit würdevollem Kopfnicken dankend entgegennahm. Pan-Tenhatte mir beschrieben, wie wichtig ihnen diese Speisen gemacht worden seien. Es hiess,sie seien von den Priesterinnen selber zubereitet worden und ihr Verzehr gleichbedeutend mit dem Kuss der Göttin selbst. Ich schüttete das Essen so weit wie möglichhinter die Lagerstatt und hoffte, dass sie nicht zu stark riechen würde. Dann schlief ichtatsächlich ruhig ein, <strong>als</strong> drohte mir keine Gefahr und <strong>als</strong> hätte ich gar keine Angst.Es war ein kalter Mut in mir, eine Ruhe, die wusste, dass ich die Plattform unbehelligterreichen würde, eine müde Klarheit. Meine Gedanken waren seltsamerweise viel mehr

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