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vollständig als pdf - Dr. Martina Schäfer, St. Gallen

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68Schimmer, und die hellen Augen lagen etwas im Schatten, <strong>als</strong> könne frau durch siehindurch in den schwarzen Flur sehen oder in weitere Tiefen, für die sie wohl selberweder Sehnsüchte noch Worte aufbringen konnte. Ella trug immer noch ihre Hosen, undunter dem Arm zusammengerollt ein dunkles Cordbündel, das ich selbst aus der Distanz<strong>als</strong> mögliche Hose von Heinrich erkennen konnte."Ich hab's mir überlegt." Sie blickte mir plötzlich wie von weit her quer durch den Raumin die Augen. "Ich bin das ewige Wechseln leid! Man kann in Hosen viel besser arbeiten.Hier -" Sie zog das Bündel hervor, so dass die Hosenbeine sich aufrollend herunterfielen."Eine Hose für Johanna. Eure Männer haben sicher auch noch welche frei." Dann kamsie durch den Halbkreis auf mich zu und legte mir das braune Kleidungsstück über dieKnie. "Ich will von dir lernen und vielleicht, ja, vielleicht gibt es doch auch Sachen, diedu bei uns lernen kannst. Ich wünsche es mir, ich wünsche es mir so sehr." Sie drehtesich herum und liess sich unter dem erstaunten Schweigen der Frauen auf ihren <strong>St</strong>uhlnieder, wobei sie das Wollerad davor beinahe widerwillig mit dem Fuss beiseite stiess.Ab gesehen von dem seltsam heiligen Lebenswandel war es ein wunderschönes Land, indas mich mein Schicksal verschlagen hatte. Die Erde war zur See hin flach wie das Meerselber. Die Leute weideten ihr Vieh in den weiten Buchen- und Eichenwäldern, so dassfrau fast überall in der Nähe des Dorfes ungehindert unter den hohen <strong>St</strong>ämmenhindurch gehen konnte. Einige halbwüchsige Bengel hüteten tagein, tagaus eine fröhlichgrunzende Schweineherde, die sie morgens mit grossem Geschrei in die Wälder triebenund mit ebensolchem Hallo abends in das Dorf zurückbrachten.Eine etwas kleinere, dunkelbraune Kuhrasse mit wolligem Schädel gab es auch. Dieseruhigen Tiere trotteten bei Sonnenaufgang von alleine aus den verschiedenen <strong>St</strong>ällenheraus, sammelten sich wie eine demokratische Dorfgemeinschaft auf dem freien Platzam Teich und zockelten langsam ins Gehölz hinein. Ihre Kälber hielten die Leute bei denHäusern in kleineren Einzäunungen, so dass die Milch gebenden Muttertiere von selberzurückkehrten und die halbwüchsigen Rinder auf diese Weise ebenso mit nach Hausebrachten.Überall in dem Waldgelände verstreut waren klitzekleine Äcker, eher wie Gärtenangelegt. Gerade gross genug, dass genügend Sonnenlicht herunterfiel, um dieGetreideähren oder das Gemüse zum Reifen zu bringen und dennoch so unauffällig,dass sie von oben nicht bemerkt werden konnten. Zumal sich auch innerhalb derAckergärten noch die Kronen von Obst- und Nussbäumen erhoben oder Beerenheckenneben den Beeten entlang die Areale unterteilten.Zwar hatten die Dörfler, woher auch immer, eine kleine Glocke organisiert, die ihnen inregelmässigen Abständen die <strong>St</strong>unden schlug - eine besonders verantwortungsvolleAufgabe, die jeweils vom ältesten Mann der Gemeinschaft ausgeübt wurde - abermorgens wurde ihr Gebimmel doch vom Johlen der Jungen und dem Grunzen derSchweine übertönt, dass mich regelmässig in meiner Kammer hinter Ellas Küche weckte.Die Kammer war klein, kühl, mit einem schmalen Fenster zur Nordseite hin.Wahrscheinlich Ellas ehemalige Speisekammer, dem Geruch nach zu urteilen, der immernoch in den Wänden hing. Ella hatte ein kariertes <strong>St</strong>ück <strong>St</strong>off in einem Rahmen vor dasFenster gestellt und einen Farn in einen Topf auf den Boden davor. Es blieben jedochdie einzigen Möglichkeiten, das Kämmerchen halbwegs wohnlich zu gestalten. Kaum

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