76lass und Freude teilen!".Ich lachte vor mich hin.Ella öffnete die Türe und streckte den Kopf herein, "Na du Langschläferin?" und ichstrahlte sie in Hemdchen und Höschen frech ausgeschlafen an. Lena drängte sichzwischen dem Türbalken und ihrer Mutter hindurch, nachdenklich blickte sie vonmeinem Gesicht zu Ellas und wieder zurück."Wie machst du es nur, am frühen Morgen so gut gelaunt zu sein?"Ella schob Lena vor und öffnete die Tür weiter, lehnte sich gegen ein Regalbrett."Kommt eben darauf an, wer mich weckt!" Ich angelte die Hose vom <strong>St</strong>uhl undschlüpfte unter Lenas geraden Blicken hinein. Im <strong>St</strong>illen hatte ich eigentlich nicht dasGefühl, so und in dieser Situation besonders erotisch zu wirken. Mir wäre es liebergewesen, beide hätten den schmalen Raum wieder verlassen."Bei Pater John schaust du böser aus" stellte Lena fest und zog sich in die Küche zurück.Ich nahm meinen dicken Pullover und zog ihn, dabei vom Bett aufstehend, über denKopf, wobei ich Ella nun zwangsläufig sehr nahe kam."<strong>St</strong>ehe ich im Weg?" murmelte sie, <strong>als</strong> sei sie selber gerade eben erst erwacht und nichtich die Verschlafene."Das könntest du bei mir gar nicht." Ich stand vor ihr, denn durch die Türe RichtungWasserbecken konnte ich nun wirklich nicht, ohne sie irgendwie zu berühren. Einenkleinen Augenblick standen wir uns so gegenüber und Ella schaute mir prüfend insGesicht. Dann lachte sie. Beinahe zeitgleich setzten wir uns Richtung Küche inBewegung."Kommst du heute wieder mit?" Anna rutschte bereits vom <strong>St</strong>uhl herunter und legte mireine Marmelade verklebte Hand auf den Ärmel, ehe ich mich überhaupt setzen konnte."Zuerst mal muss ich frühstücken. Und dann würde ich gerne mal mit Ella in Ruhereden."Zehn Tage in dieser kleinen, einklassigen Dorfschule hatten mir einige Rätselaufgegeben. Ich dachte, dass vielleicht die ehemaligen Schüler Johns mir helfenkönnten. "Und wenn Heinz Zeit hat, auch mit ihm.""Heute Abend?" Heinrich steckte sich das letzte <strong>St</strong>ück Brot in den Mund, schlug dieKrümel von den Händen und schob seine Töchter Richtung Türe. "Ihr müsst euch glattdran gewöhnen, mal ohne unseren Gast zur Schule zu gehen. Hoffentlich schafft ihrdas." Er zwinkerte mir zu und zog mit einer unzufriedenen Anna und einer mir nocheinmal einen nachdenklichen Blick zuwerfenden Lena ab."Ella, <strong>als</strong> du hier zur Schule gegangen bist, mochtet ihr Pater John dam<strong>als</strong>?" Begann ichsofort."Ich denke, er war so wie jetzt, etwas strenger, im Prinzip aber gerecht.""Musstest du auch nachsitzen?"Ella zögerte mit der Antwort und stand abrupt auf."Soll ich echten Kaffee machen?""Ja. Wie war das mit dem Nachsitzen?"Ella zog die Dose aus dem Schrank."Möchte wissen, wie viel Kaffee die anderen Frauen noch haben.""Das Nachsitzen - hey! Schläfst du noch?""Ach ja?" Sie wischte sich über die Augen, hob den siedenden Wasserkessel vom Herd,
77brühte das wertvolle Pulver auf und sog zufrieden den Kaffeeduft ein. "Pater Johnkochte manches Mal Kaffee. Wir durften in seiner <strong>St</strong>ube nachsitzen, wir bekamenPlätzchen wenn wir brav waren." Sie kehrte zum Tisch zurück, legte die Händeineinander und schaute mich an."Was hat das mit Anna zu tun?""Sie hat Angst vor ihm. Kannst du dir vorstellen, warum?""Er schlägt eigentlich keine Kinder." Sie schüttete den Kaffee durch ein Sieb in dengemeinsamen Becher."Honig - Milch?""Ja, wenn du es auch so magst."Sie stellte den Becher mit einem Klack auf den Tisch."Ich glaube, ich war wie Anna. Ich mochte ihn nicht."Vorsichtig nahm ich die Tasse hoch und vermied es dabei tunlichst, ihre Hände zuberühren - es wäre wohl nicht der richtige Augenblick gewesen."Was war es, was du nicht mochtest? Ich meine, wenn er nicht schlägt, was machte dirAngst?"Ella drehte sich herum, ging zum Fenster und strich sich über die Arme, länger sah sieschweigend hinaus."Ich dachte, er hat aufgehört. Seit dam<strong>als</strong>. Anna schüttelt seine Hände ab, ich habe esgesehen. Ich dachte, sie ist wie ich. Ihr passiert das nicht.""Was?""In unserem Jahrgang war Ute, das ist, war! die Tochter von Else am Spinnrad, die duin unserer Versammlung am ersten Tag gesehen hast. Ute war stiller <strong>als</strong> ich und so klugwie Lena. Ja, sie war sehr klug und musste oft nachsitzen, weil sie so viel dazwischenfragte. Manches Mal waren wir beim Nachsitzen und Abschreiben zusammen. Ich hattebald das Gefühl, dass sie froh war, wenn ich dabei war." Ella stockte, dann kam siezurück an den Tisch. Sie schaute auf mich herunter. "Du kennst das wahrscheinlich garnicht, da bei euch im Frauenland. Männer, manche Männer eben - na ja. Ute sagte einesTages, <strong>als</strong> wir am Teich spielten, wie aus heiterem Himmel zu mir: 'Ich will immer deinebeste Freundin sein und dir alles geben, wenn du jedes Mal auch Lärm machst! Dannmuss ich nicht alleine nachsitzen. Dir macht das nicht so viel aus.' Ich verstand nicht,was sie meinte, aber ich war stolz, dass die Beste aus der Klasse ausgerechnet mich zurFreundin haben wollte. Ich war nämlich gar nicht so gut!" Sie lächelte in der Erinnerungund setzte sich. Dann, <strong>als</strong> lese sie das weitere aus dem Kaffee, sprudelte es plötzlichhervor: "Einmal liess er Ute wieder nachsitzen und mich nicht, obwohl ich den Unterrichtstörte, mit Kreide warf und Briefchen schrieb. Utes Blick vergesse ich nie, <strong>als</strong> ich mit denanderen Kindern die Klasse verliess und mich noch einmal umdrehte! Als ich drausseneine Weile ganz unschlüssig herumgegangen war, hatte ich plötzlich die Idee zu stören.Einfach in das Nachsitzen hineinzuplatzen, dann musste es doch klappen."Ich holte Luft, doch sie legte mir die Hand auf den Arm."<strong>St</strong>ill, ich habe es nicht einmal Heinrich erzählt. Dabei weiss ich bis heute, dass daswirklich der Grund war.""Grund wofür?""Ute ist tot. Man sagt, sie sei halt am Bodden im Nebel ausgerutscht oder ins Wattgelaufen. Sie lief dam<strong>als</strong> öfter davon. Ich platzte in seine nach Kaffee und Plätzchen
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