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vollständig als pdf - Dr. Martina Schäfer, St. Gallen

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77brühte das wertvolle Pulver auf und sog zufrieden den Kaffeeduft ein. "Pater Johnkochte manches Mal Kaffee. Wir durften in seiner <strong>St</strong>ube nachsitzen, wir bekamenPlätzchen wenn wir brav waren." Sie kehrte zum Tisch zurück, legte die Händeineinander und schaute mich an."Was hat das mit Anna zu tun?""Sie hat Angst vor ihm. Kannst du dir vorstellen, warum?""Er schlägt eigentlich keine Kinder." Sie schüttete den Kaffee durch ein Sieb in dengemeinsamen Becher."Honig - Milch?""Ja, wenn du es auch so magst."Sie stellte den Becher mit einem Klack auf den Tisch."Ich glaube, ich war wie Anna. Ich mochte ihn nicht."Vorsichtig nahm ich die Tasse hoch und vermied es dabei tunlichst, ihre Hände zuberühren - es wäre wohl nicht der richtige Augenblick gewesen."Was war es, was du nicht mochtest? Ich meine, wenn er nicht schlägt, was machte dirAngst?"Ella drehte sich herum, ging zum Fenster und strich sich über die Arme, länger sah sieschweigend hinaus."Ich dachte, er hat aufgehört. Seit dam<strong>als</strong>. Anna schüttelt seine Hände ab, ich habe esgesehen. Ich dachte, sie ist wie ich. Ihr passiert das nicht.""Was?""In unserem Jahrgang war Ute, das ist, war! die Tochter von Else am Spinnrad, die duin unserer Versammlung am ersten Tag gesehen hast. Ute war stiller <strong>als</strong> ich und so klugwie Lena. Ja, sie war sehr klug und musste oft nachsitzen, weil sie so viel dazwischenfragte. Manches Mal waren wir beim Nachsitzen und Abschreiben zusammen. Ich hattebald das Gefühl, dass sie froh war, wenn ich dabei war." Ella stockte, dann kam siezurück an den Tisch. Sie schaute auf mich herunter. "Du kennst das wahrscheinlich garnicht, da bei euch im Frauenland. Männer, manche Männer eben - na ja. Ute sagte einesTages, <strong>als</strong> wir am Teich spielten, wie aus heiterem Himmel zu mir: 'Ich will immer deinebeste Freundin sein und dir alles geben, wenn du jedes Mal auch Lärm machst! Dannmuss ich nicht alleine nachsitzen. Dir macht das nicht so viel aus.' Ich verstand nicht,was sie meinte, aber ich war stolz, dass die Beste aus der Klasse ausgerechnet mich zurFreundin haben wollte. Ich war nämlich gar nicht so gut!" Sie lächelte in der Erinnerungund setzte sich. Dann, <strong>als</strong> lese sie das weitere aus dem Kaffee, sprudelte es plötzlichhervor: "Einmal liess er Ute wieder nachsitzen und mich nicht, obwohl ich den Unterrichtstörte, mit Kreide warf und Briefchen schrieb. Utes Blick vergesse ich nie, <strong>als</strong> ich mit denanderen Kindern die Klasse verliess und mich noch einmal umdrehte! Als ich drausseneine Weile ganz unschlüssig herumgegangen war, hatte ich plötzlich die Idee zu stören.Einfach in das Nachsitzen hineinzuplatzen, dann musste es doch klappen."Ich holte Luft, doch sie legte mir die Hand auf den Arm."<strong>St</strong>ill, ich habe es nicht einmal Heinrich erzählt. Dabei weiss ich bis heute, dass daswirklich der Grund war.""Grund wofür?""Ute ist tot. Man sagt, sie sei halt am Bodden im Nebel ausgerutscht oder ins Wattgelaufen. Sie lief dam<strong>als</strong> öfter davon. Ich platzte in seine nach Kaffee und Plätzchen

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