50formuliert worden war: Jedes Mädchen, jede Frau, soll in der Frauenwelt die Möglichkeithaben, sich ihre Frühstücksmilch von ihrer Lieblingskuh jederzeit selber zu Fuss holen zukönnen.Mit den geduckten, menschenleeren, von aller städtischen Kultur und Verkehrswesenabgeschnittenen Dörfern in den patriarchalen Landprovinzen hatte unsere Landkulturwirklich nur noch das Wort gemeinsam. Ebenso, wie jede jederzeit ihre Kuh erreichenkonnte, hatten die in der Landwirtschaft beschäftigten Frauen die Möglichkeit, jederzeitzu Fuss, mit dem öffentlichen Tandem oder sonst wie Kultveranstaltungen,Theateraufführungen, Museen oder Konzerte zu besuchen. Dass hin und wieder einekleine Kuhherde über einen öffentlichen Platz getrieben wurde, war genauso üblich wiedie jahreszeitlich schwankenden Öffnungszeiten aller Abendveranstaltungen, die sichnach den Melkrhythmen in den <strong>St</strong>ällen richteten.Ich staunte <strong>als</strong>o nicht schlecht, <strong>als</strong> ich hier die zweifellos noch oder wieder bewohntenRuinen eines alten Bauerndorfes fand, inklusive Schlösschen aus den Zeitenselbstherrlichen Grossgrundbesitzes.Aus einer der Hütten an der Schlossfassade trat nun gebückt ein grosser, etwasdicklicher Mann. Graue, lange Haare hingen ihm bis auf die Schultern herab, und er kammit schnellen Schritten auf Ella und mich zu."Pater John, unser Priester und Bürgermeister" flüsterte sie leise, drückte mir, wie zueinem Abschied, kurz die Hand und trat einige Schritte beiseite. John trat sehr nahe anmich heran, blickte mir intensiv in die Augen und nahm meine Hand auf."John ist mein Name. Willkommen in der Gemeinschaft der Freien. Wir danken demHerren, dass du wohlbehalten durchgekommen bist und freuen uns über dich." Erschüttelte eifrig meinen Arm auf und ab, ein wohl gütiges Lächeln lag um seinen Mund,zumindest deutete ich das Heraufziehen der Mundwinkel in Richtung Ohren so, dochseine Augen blickten ohne Zucken und forschend direkt in meine hinein.Ich mochte schon früher solche Ehrlichkeit heischenden Blicke nicht. Dafür hatte ich <strong>als</strong>Kind viel zu viel auf dem Kerbholz, was nicht für die Ohren der Erwachsenen bestimmtwar. Aber seit dem seltsamen, dumpfen Laut, den die unbekannte Hubschrauberpilotinunter mir auf dem Flachdach verursacht hatte, war dergleichen Ernsthaftigkeit für michvollkommen unerträglich. Ich senkte die Augen, entzog ihm meine Hand und murmelte:"Johanna Helgesdott - ich denke, Sie wissen, was los ist?""Aeh, ja. Wir berufen gleich die Versammlung ein. Ella! Schickst du Heinrich herüber?Ich glaube, die anderen sind schon da. Er hat nur auf dich gewartet, um die Kinder nichtalleine zu lassen.""Ja -" Ich spürte, wie sie sich ganz zurückzog und ein merkwürdiges Gefühl der Leerehinter meinem Rücken entstand."Kommen Sie" sagte John, legte mir seine schwere, abgearbeitete Hand auf die Schulterund schob mich vor sich her, um den Dorfteich herum, in Richtung einer der Höfe, derdahinter lag. John trug dunkle, schwere Hosen, einen schwarzen Pullover, aus dessenRollkragen ein dünner, weisser <strong>St</strong>reifen hervorsah, und ich entsann mich, dass frau inpatriarchalen Epochen daran die so genannten 'Pfarrer', Priester christlicher Kirchenerkennen konnte."Sie werden vieles ungewohnt hier finden -" brummelte er neben mir in mein Ohr,während wir auf das abseits liegende Gehöft zugingen, "nicht zuletzt natürlich uns
51Männer selber!""Das war an Bord auch so!" Ich ging einen Schritt schneller und schüttelte die Hand ab,die da so mir nichts, dir nichts, auf meine Schulter kam. Doch kurz vor der Haustüreerreichte John mich wieder und nahm freundschaftlich meinen Arm."Hier hinein und dann rechts durch die Türe."Auch dieses Gehöft besass kein Dach mehr, und leere Fensterhöhlen, abbröckelndeMauern bildeten die Reste der oberen <strong>St</strong>ockwerke. John bemerkte meinen suchendenBlick."Wir benutzen überall nur die ebenerdigen Räume. Hier dienen die ehemaligenZwischendecken <strong>als</strong> Dächer. Sie sind extra dicht, mit Abflussrinne. Darüber ist Erdegestreut, auf der Gras wächst. Alles Tarnung, für die da oben!" Er deutete durch dasBlätterlaub zum Himmel hinauf. "Aber keine Angst, Mädchen, im Schnitt verirrt sicheinmal im Jahr einer ihrer Helikopter hierher." Er griff an mir vorbei und stiess die Türe,die von dem Vorraum abging, auf.Das Zimmer dahinter war weiss gekalkt, die Wände in den Ecken schon etwasangegraut, in der Mitte stand ein klobiger, selbst gezimmerter Holztisch. Auf Bänkenerkannte ich einige Gestalten, die sich nun zu mir herum wandten. In einer Ecke war einKamin aufgemauert, in dem ein Feuer glimmte, darüber hing ein russiger Kessel, Rauchund Dampf stiegen in den Kamin hinauf. Eine ältere Frau schöpfte die dampfendeFlüssigkeit in kleine Holzschalen und Porzellanbecher, die mich an die Becher auf demKutter erinnerten, und ein junger Mann, ungefähr in meinem Alter, trug die Trinkgefässevom Herdfeuer hinüber an den Tisch zu den Leuten."Hier ist sie!" sagte John überflüssigerweise und schob mich sachte in den Raum hinein.Ich blinzelte in das Zwielicht, das durch das Feuer und das Licht gebildet wurde,welches durch eine fast blinde Glasfensterscheibe in den Raum fiel und von den hellenWänden reflektiert wurde.Die Frau am Herdfeuer sah herüber. Ihr schwarz-graumeliertes Haar war in einemdichten Knoten am Hinterkopf auf geschlungen, sie trug einen langen, wohldunkelgrünen, weiten Rock, eine dunkelblauer Schürze mit weissen Blümchen darauf,die schon etwas verblasst waren, und ein blaues Oberteil, dessen Ärmel sieaufgekrempelt hatte. Der Knoten verlieh ihrem zurückgezogenen Gesicht einen etwasstrengen Ausdruck, doch die Augen lächelten freundlich zu mir herüber."Komm, nimm' dir erst einmal eine Tasse und setz' dich zu uns."Ich ging zu ihr, nahm die Tasse entgegen und setzte mich auf einen Hocker, der an derSchm<strong>als</strong>eite des Tisches stand. John liess sich ächzend zwischen zwei jüngeren Männernauf die Bank fallen, klopfte ihnen mit einem zufriedenen "Na, wie war die Jagd?" auf dieSchultern und lächelte dem Burschen zu, der ihm nun auch eine Holzschale mitdampfendem Malzkaffee hinstellte."Sind alle da? Können wir anfangen?" fragte er nach dem ersten Schluck und Allenickten, <strong>als</strong> er hinzusetzte: "Heinz kommt auch gleich. Ella war ja unterwegs, dasMädchen abzuholen."Erst aus der Nähe erkannte ich an den zumeist bärtigen Gesichtern, dass noch keineFrau anwesend war. Als mich die neun Gesichter erwartungsvoll ansahen, schaute ichmich suchend nach der Frau am Feuer um, die wohl auf dem <strong>St</strong>uhl, der neben mir nochfrei war, sitzen sollte.
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