108rang feine, lange Finger, <strong>als</strong> wolle er das Schicksal noch einmal neu verknoten oderentschlüsseln, das sie in diese eigenartige Lage zwischen Himmel und Wasser gebrachthatte: Ohne einen Weg zurück und ohne eine Hoffnung, einen Gedanken, irgendwo indieser Welt Fuss zu fassen und neue Ziele anzugehen.Ella, Frank, Heinrich, die Mädchen und ich hatten uns brav einen VormittagTischbrettspiele um die Ohren geschlagen, aber nun schob Frank resigniert seineHolzfigürchen beiseite und stöhnte."Puh - das ist ja auf Dauer anstrengender <strong>als</strong> eine Nacht lang Wache stehen, beiabsoluter Windstille und Nebel dazu. Habt ihr etwas dagegen, wenn ich michzurückziehe und draussen an Deck mein Pfeifchen schmauche?"Wir anderen Erwachsenen schüttelten den Kopf und waren eigentlich erleichtert, nunebenfalls einen Vorwand zu haben, die Spiel zu beenden. Doch wie es wohl zu erwartenwar: Die Mädchen zogen lange Gesichter. Bald war ein kleiner Konflikt zugangezwischen den Grossen, die sich "nie" um die Mädchen kümmerten, und Lena und Anna,die uns allmählich wie kleine, teuflische, aufmerksame Plagegeister schienen. Hannahdrehte uns in ihrer Koje den Rücken zu. Lena schob den <strong>St</strong>uhl zurück, stand, den Mundnoch zur beleidigten Fläppe gezogen, auf und setzte sich auf ihre Kojenkante. In ihrermerkwürdig-sachlichen Art legte sie Hannah die Hand auf die Schulter."Warum musst du immer weinen, wenn wir mal streiten?"Die Antwort war nicht mehr <strong>als</strong> ein Schniefen und ein Zucken mit der Schulter, aberauch Anna trat nun näher heran, wohl in der Erwartung, eine Abwechslung zu unslangweiligen SpielverderberInnen zu finden."Sie mag nicht, wenn wir geschimpft werden." <strong>St</strong>ellte Anna fest und baute sich nebenLena auf, uns den Rücken zukehrend, die Hände über dem Po verschränkt. "Würdest dudein Kind nie schimpfen?"Lena stiess Anna wegen dieser taktlosen Frage in die Seite, aber zu unserem Erstaunendrehte sich Hannah nun doch herum."Nein, sie ist ja noch ein Baby.""Aber wo ist sie?" Lena schaute Hannah forschend an, <strong>als</strong> habe sie ihr Kind selberirgendwo zwischen Koje und Kajütenwand versteckt. Hannah setzte sich hin und zucktemit den Schultern."Ich weiss es nicht." Die Tränen liefen ihr über das Gesicht."Aber nicht wahr, du willst sie wiederhaben." Anna nahm vor Ungeduld ihre Hände indie Hand und zerrte daran."Ja." Hannah schaute auf die Decke. Dann befreite sie ihre Hände und strich den beidenMädchen über die Köpfe. "Wenn ich nur wüsste, wie. Ich habe sie ja kaum sehendürfen.""Scheisse!" Lenas Kommentar klang einfach, kühl und endgültig, während ihre Mutterob dieses Tons zusammenzuckte und mit Heinrich augenverdrehte Blicke tauschte, der'tz, tz!' machte und grinste."Johanna macht das schon!" Anna verkündete ihre neue Gewissheit strahlend undwandte sich zu mir um. "Erwin, der Junge der jetzt tot ist, hat gesagt, dass sieHubschrauber klauen kann und Leute umbringen. Sie hat Lena saumässig gut geholfenund unseren Arsch-Lehrer erwischt.""Anna!" rief Ella entrüstet aus, doch meine kleine Heldinnenverehrerin liess sich nicht
109bremsen und ergänzte die Aufzählung mit einem triumphierenden "Jetzt ist er tot, undhat es verdient!", während Lena, peinlich berührt, murmelte: "Anders <strong>als</strong> der Erwin."Hannah richtete den Blick auf mich, ich spielte verlegen mit unseren Holzfigürchen undtat so, <strong>als</strong> wäre das Spielbrett die interessanteste Landkarte, die ich je gesehen hatte."Könntest du das tun?""Klar, wie Leute aus dem Wasser fischen. Das macht die mit links!" Heinrich schob mitgerunzelter <strong>St</strong>irn seinen <strong>St</strong>uhl zurück. "Hannah, du musst das einfach verkraften, genauwie diese ganze Geschichte überhaupt! Seid froh, dass ihr beiden lebt. Kommt mit unszu uns nach Lolland. Dort soll es Platz geben für unsere Gemeinschaft, Leute, dieähnlich wie wir in Paaren leben wollen, wie früher, oder alten Glaubensrichtungenanhängen." Er ging hinüber zu den beiden Mädchen. "Ihr kommt jetzt mit mir und lasstHannah in Ruhe. Marsch an Deck! Ihr habt eine <strong>St</strong>unde Rechnen mit Papa amKompass!" Er packte die beiden Mädchen liebevoll ins Genick und schob sie die Treppehinauf.Wir anderen schwiegen eine Weile und Hannah sah mich nachdenklich an. Ihre und Jan-Sans Blicke hatten häufiger so auf mir, Ella oder auch Heinrich geruht, <strong>als</strong> sie dieKonstellation unserer Freundschafts- und Liebesbeziehungen durchschaut hatten."Willst du weiter mit Ellas Leuten leben?" Sie warf die Decken beiseite und schwang dieBeine über den Kojenrand."Nein." Ich schüttelte den Kopf, Ella fasste meine Hand. "Ich kann nicht auf solchenInseln leben. Ausserdem will ich Maya suchen."Ella zog ihre Lippen in dieser vertraut-schweigenden Art zusammen, die mich anfangsoft an Mayas resignierte Zurückhaltung erinnert hatte. Hannah schaute von einer zuranderen."Ihr bleibt <strong>als</strong>o nicht zusammen?"Ella schüttelte leicht den Kopf. Frank löste die traurige Spannung, indem er Hannahmein Vorhaben, bald heimlich wieder an Land zu gehen, erklärte. Die junge Frau hörtezu, dann stiess sie sich überraschend von der Koje ab und baute sich vor uns am Tischauf. So beim Sitzen lagen unsere Augen auf gleicher Höhe. Es war, <strong>als</strong> stünden Lenaoder Anna vor mir in ihrer unerbittlichen und kindlichen Ernsthaftigkeit."Ich gehe mit, Johanna. Jan-San auch, wenn er sich traut. Suchst du deine Liebe,Johanna, suche ich meine Tochter, die Frucht meiner Liebe, denn sie hatten kein Recht,uns zu trennen und sie zu stehlen! Lieber sterbe ich, <strong>als</strong> dass ich das zulasse!" Ohneunsere Worte abzuwarten, lief sie hinauf, Jan-San diesen Plan mitzuteilen, währendFrank ihr mit achtungsvoll hochgezogenen Augenbrauen nachschaute."Ich glaube, Johanna, du hast eine Kollegin gefunden: Kleiner, zarter, aber mindestensebenso dickschädelig wie du!"Auf dem Gummen im Jahr 135 ( 2135 n. d. Zt. )Ich erinnere mich, erinnere mich an jene tausend Abschiede eines kurzen Lebens -:Erinnerungen an das Jahr 89 ( 1089 n. d. Zt. )
- Seite 1:
1Martina SchäferH E R O S T O DWid
- Seite 4 und 5:
4Register der wichtigsten Personen
- Seite 6 und 7:
6Groschenromane! Diese Groschenroma
- Seite 8 und 9:
8Es war auch sonst nicht mehr, was
- Seite 10 und 11:
10ist es. Ich belüge Sie schon nic
- Seite 12 und 13:
12postpatriarchal gekennzeichnet. I
- Seite 14 und 15:
14kleinen Mädchen oder Säuglinge
- Seite 16 und 17:
16Atem rauben konnten. Das gleiche
- Seite 18 und 19:
18sodass die Hunde genügend Zeit h
- Seite 20 und 21:
20von Jugend auf!Der Park der Villa
- Seite 22 und 23:
22Unter einem Küchenfenster führt
- Seite 24 und 25:
24hatten, dass nicht die Armut nack
- Seite 26 und 27:
26"Es gibt andere Werte!" Sie griff
- Seite 28 und 29:
28Brüste. Ich verfluchte den Mange
- Seite 30 und 31:
30verboten und wurden, soweit das m
- Seite 32:
32Blutung das erste Mal in Anspruch
- Seite 35 und 36:
35Seite der Mauer angekommen war.Dr
- Seite 37 und 38:
37Seine Frau tanzte aussen herum mi
- Seite 39 und 40:
39Husarenuniformjäckchen und schlu
- Seite 41 und 42:
41Herz aus einem zuckenden Körper
- Seite 43 und 44:
43Zartheit und Leichtigkeit einst a
- Seite 45 und 46:
45Ich hatte das Meer geliebt, das M
- Seite 47 und 48:
47"Mit Anzug und Bleischürze, wie
- Seite 49 und 50:
49ihn als Puppenbettchen gebraucht.
- Seite 51 und 52:
51Männer selber!""Das war an Bord
- Seite 53 und 54:
53räusperte sich indigniert."So et
- Seite 55 und 56:
55und stossend daran, ihre Beine au
- Seite 57 und 58: 57versammeln sich hier viel zu viel
- Seite 59 und 60: 59gesamte Erdgeschoss einnahm, sah
- Seite 61 und 62: 61heisse Blutwurst! Bis dann." Er s
- Seite 63 und 64: 63erhalten, was ihnen die Männer n
- Seite 65 und 66: 65Welches Leben ihnen diese Kraft,
- Seite 67 und 68: 67Laura starrte mich störrisch an.
- Seite 69 und 70: 69länger als das Bett, reichte der
- Seite 71 und 72: 71Schule abhalten, Versammlungen -"
- Seite 73 und 74: 73"Ja. Du bist ein gutes, einsichti
- Seite 75 und 76: 75hier praktizierten Christentum zu
- Seite 77 und 78: 77brühte das wertvolle Pulver auf
- Seite 79 und 80: 79"Gab es denn solche Themen bei eu
- Seite 81 und 82: 81Doch dieses Klassenzimmer, das wa
- Seite 83 und 84: 83"Ja, Ella. Und vielleicht Sarah u
- Seite 85 und 86: 85"Das ist egal!""Meinst du denn, d
- Seite 87 und 88: 87"Du denn?"Sie lächelte. "Als bra
- Seite 89 und 90: 89gesund sein. Die meisten Mädchen
- Seite 91 und 92: 91werdenden Oberpriesterin, dann sa
- Seite 93 und 94: 93Veränderungen eintreten zu könn
- Seite 95 und 96: 95Erwins Mutter, sie hatte noch dre
- Seite 97 und 98: 97Gemeinschaft auszuarbeiten. Ausse
- Seite 99 und 100: 99weiss, ob es sie da draussen wirk
- Seite 101 und 102: 101und erst kürzlich verheilt schi
- Seite 103 und 104: 103Tritte und Stimmen."Bleiben sie
- Seite 105 und 106: 105denn die Geschichte nicht gezeig
- Seite 107: 107Ich erinnere mich, wie der Schni
- Seite 111 und 112: 111"Geh' mal." sagte sie, Nebel und
- Seite 113 und 114: 113leichtesten Flügelschlag eines
- Seite 115 und 116: 115hinter sich und sind schon am En
- Seite 117 und 118: 117Ich nickte erstaunt und sah plö
- Seite 119 und 120: 119wir in den Wald? Ausser -" Sie l
- Seite 121 und 122: 121Leben aus, ihren Ausbildungen, n
- Seite 123 und 124: 123"Wann hast du das letzte Mal ges
- Seite 125 und 126: 125Wir schüttelten alle drei die K
- Seite 127 und 128: 127verstehen. Irgendwie gibt es imm
- Seite 129 und 130: 129"Da das anscheinend an der Grenz
- Seite 131 und 132: 131Ich schüttelte den Kopf. Shulam
- Seite 133 und 134: 133Arme reckten, Segelschiffe in st
- Seite 135 und 136: 135Die Sologeigerin spielte auch na
- Seite 137 und 138: 137Ich ahne, dass Du danach endgül
- Seite 139 und 140: 139Tropfen in seinen alten Augen, u
- Seite 141 und 142: 141Dämmerung unter den Tannen schi
- Seite 143 und 144: 143Neugierde, das Lieblich Klingend
- Seite 145 und 146: 145vorhin der See."Von hier nehmt i
- Seite 147 und 148: 147Sie schaute mich. "Hast du dir d
- Seite 149 und 150: 149Fussende von Mayas Bett, tatsäc
- Seite 151 und 152: 151den Einbaum aus dem Wasser zogen
- Seite 153 und 154: 153Fünftes Buch:HerostodDer Südse
- Seite 155 und 156: 155Dagegen sprach aber sicherlich d
- Seite 157 und 158: 157Die beiden Husarenuniformjäckch
- Seite 159 und 160:
159heraus, wegen der Krankentranspo
- Seite 161 und 162:
161"Wir werden nicht gefragt. Es da
- Seite 163 und 164:
163Er hatte mich auf den Rücken ge
- Seite 165 und 166:
165Ich rüttelte den jungen Mann un
- Seite 167 und 168:
167bitte nicht mehr an."Kurz darauf