110Helge - meine breit hüftige Mutter, <strong>als</strong> sie zeternd den Gartenweg hinter mir und den sauberenHusarenuniformjäckchen, die mich abgeholt hatten, her rannte. Ihr Blick, ihr letztes Haschennach meiner von denen festgehaltenen Hand, ihr hilfloses Greifen nach meinem Pullover, dannihr Schrei, die Sippenstrasse herauf und hinab, dass alle, alle, die da lebten und es wissen wolltenoder nicht, gezwungen waren, aus ihren Häusern zu treten, um nachzuschauen, was sich da, soklammheimlich kurz nach Sonnenaufgang, in ihrer <strong>St</strong>rasse abspielte."Die Verbrecher! Die Verbrecher! Sie holen meine Tochter, meine einzigste, meine älteste! IhrVerbrecher!" Und sie brüllte ohne Worte diesen Klang zum Himmel, den wir alle <strong>als</strong> Erbe in unstragen, seit das erste mehrzellige Tier seinen Kopf über die Urfluten heben konnte, um die <strong>St</strong>erneanzurufen, Sonne, Mond und die Nachkommenschaft vom eigenen Saft."Und wenn ich sie nicht wieder sehe - geht unter, geht unter und verschwindet für alle Zeit!" Siewarf die Hände am Gartentor in die Luft, während Nachbarinnen ihre Hüften umfingen und siezu beruhigen versuchten."Johanna!" gellte ihr Ruf, <strong>als</strong> mich die feinen Uniformjäckchen um die <strong>St</strong>rassenecke führten undin ihr verschleiertes Gefährt stiessen."Johanna!"Es war, <strong>als</strong> brächen die Himmel mitten über uns zusammen: Ein Scherbenhaufen über denkleinen, erschrockenen Häusern meiner behüteten Kinderzeit.Erinnerungen an das Jahr 90 ( 2090 n. d. Zt. )Ich erinnere mich noch nicht an Maya, denn von der letzte Begegnung vor meiner Verhaftungwussten wir ja nicht, dass es ein Abschied werden könnte, für lange und immer. KeineVorahnung trübte die Zärtlichkeiten in der abgelegenen Teppichkammer des Tempelare<strong>als</strong> undkein Kuss schmeckte wie der letzte Tropfen eines endgültig ausgeleerten Glases.Doch ich erinnere Ella, für immer und zu allen Zeiten, wie die kalten Nebel nachts die Kutterumhüllten und Pit mir seine Hand auf die Schulter legte."Frank hat das Beiboot herabgelassen. Hannah und Jan-San sitzen schon drin undwarten auf dich!"Der Nebel war kalt und legte sich weiss auf ihre rabendunklen Wimpern dort in derNacht. Berührte die Härchen wie weisser Trauerflaum, <strong>als</strong> sie neben der Bootswindestand und leise schniefte, wie immer und in den schwierigsten Augenblicken unsererZeit."Du hast den Mädchen 'Tschüss' gesagt?" Fragte sie, wie um etwas zu sagen und <strong>als</strong> ichschweigend nickte, denn auch ich kann nicht über jeden Schatten springen, ergänztesie: "Von Heinz auch? Ich glaube, trotz allem hätte er dich lieber sicher bei uns <strong>als</strong> daauf dem Kontinent.""Sie kriegen mich schon nicht. Ich werde versuchen, euch eine Nachricht zu senden.""Das wirst du nicht." Antwortete sie mit jener <strong>St</strong>imme, die der ihrer ältesten Tochter soglich. "Denn entweder fassen die dich oder du vergisst uns bald, wenn du sie wiedersiehst."Ich zog ein Tuch aus der Tasche und reichte es ihr.
111"Geh' mal." sagte sie, Nebel und Salz glitzerten um ihre Augen, dass ich nicht erkennenkonnte, wie ihr wirklich zumute war. "Eine brave Konse dankt es dir!"Dann war das Erstarren aus Trostlosigkeit und Abschied endlich gebrochen, nurmehrunser gemeinsames Schniefen und Tränentropfen klang so laut durch die Nacht, dassPit sich bemüssigt fühlte, uns ein gutmütige "Nu-Nu, Frauens!" zuzurufen und unsbeiden über den Rücken zu streicheln.Auf dem Gummen im Jahr 135 ( 2135 n. d. Zt. )Und so erinnere ich mich an jene tausend möglichen Abschiede meiner Welt. Wer warendie Mütter der kahl geschorenen Jünglinge in den Häusern, welchfrau erkannte sie nachJahren wieder, hoch droben auf den Plattformen aus Trommelschlag und Blut, welchfrauhatte um sie geweint, <strong>als</strong> sie in die Knabeninternate zogen und wer beweinte jene, diedanach den Weg der Tempelhaine zu gehen hatten?Wer hatte einst die Blüten umkränzten Grenadiere beweint, die so optimistisch undbegeistert in ihre Weltkriege gezogen waren?Nicht die liebende Vereinigung ist ein "kleiner Tod", wie patriarchale Dichter einst imRausch formulierten. Nein, jeder Abschied ist ein "kleiner Tod", hilflos, schäbig und ohneneue Aussicht auf Wiederkehr, ein "kleiner Tod", das Abbild des vielfältigen Todes inmeinem Land und zu allen Zeiten: Als sei <strong>St</strong>erben und Gehen gut und Bleiben undLieben nur ein Sumpf aus Feigheit und ältlichem Beharrungsvermögen selbst.Das Ruderboot schlurfte leicht über einen feuchten Grund, und Frank, der hinten am<strong>St</strong>euer sass, da ich ihn mittlerweile an den Rudern abgelöst hatte, bedeutete mir,stillzuhalten."Es ist Ebbe. Ihr werdet vielleicht achthundert Meter durch Brackwasser und Schlicktapsen, dann seid ihr an Land. Vom Deich herab solltet ihr die Lichter einer <strong>St</strong>adt sehen,falls Pit und Heinrich sich nicht verrechnet haben. Dann immer nach Südenwesten! KeinProblem!"Ich spürte, wie er lächelte, stemmte mich hoch und kletterte vorsichtig aus dem Boot.Glücklicherweise war dieser Herbst bisher relativ milde gewesen und die Temperatur desWassers, welches durch unsere <strong>St</strong>iefel eindrang noch erträglich. Hannah und Jan-Sanfolgten. Pit reichte jedem von uns einen kräftig gepackten Rucksack voller Essen,warmer Wäsche und ein wenig internationale Frauenlandwährung."Viel Glück! Lasst euch nicht erwischen!" Wir schoben sein Boot wieder ins Wasserhinein, mit leisem Klatschen verschwand es in der Dunkelheit. Ohne ein weiteres Wortdrehten wir uns herum und liefen landeinwärts auf den Deich zu.Die jütländische Männerprovinz gehörte nach Norden hin zum Gebiet des SchonischenFrauenlandes, in welchem meistens noch Schwedisch gesprochen wurde und eine ArtRätinnenrepublik vor zwei Generationen ausgerufen worden war.Im Süden grenzte die jütländische Halbinsel westlich an die niederländischenFrauenreiche, welche durch ein altes Königinnengeschlecht, mit wechselndem
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