24hatten, dass nicht die Armut nackter Zellenwände, die zu mannigfaltigen geistigenImprovisationen zwingt das Individuum bricht, sondern Einsamkeit im Überfluss führtdazu, die Hände passiv in den Schoss zu legen, da es tatsächlich nichts zu tun gibt, umdas überleben zu sichern oder angenehmer zu gestalten. Sie erzeugt jenes leise, toteSummen in den Ohren, das da hungert nach einer menschlichen <strong>St</strong>imme, menschlichemLachen und aufmerksamen Zuhören.Ich war sicher, dass meine Wächterinnen mir fürsorglich vor allen Dingen Fertignahrungund Konserven zuwerfen würden, dass vom heissen Wasser bis zum Swimmingpool imGarten alles voll automatisch funktionieren würde, dass buchstäblich a l l e s da seinwürde in diesem wohl eingerichteten Gefängnis - - ausser der regelmässigenTageszeitung, morgens vor der Haustüre und den zwei Programmen, Frauen- undMännerprogrammen, aus einem gut gebauten Radioempfänger sowie einemBreitwandfernsehapparat in alle Welt.Der Helikopter schwebte surrend über dem flachen Dach und ich erwartete wieder daskleine, dunkle Paketchen am Fallschirm mit frischem Papier, Brot und Milchbeuteln, dieteilweise beim Aufprall aufplatzten und das Papier unbrauchbar machten, oder ausMangel mich zwangen, es dennoch zu trocknen und auf den gelblich stinkenden, durchdas Trocknen verzogenen Blättern meine Visionen niederzulegen. Um Absatz brauchteich mich nicht zu fürchten, denn noch mussten sie drüben, irgendwo jenseits derMauern und Rhododendrenbüsche, ihr goldenes Vögelchen hüten und pflegen, dasbereits einmal nur knapp am Sprung von der oberen Tempelterrasse gehindert wordenwar. Ein peinlicher Skandal!Aus den wenigen, zensierten Briefen von Maya konnte ich kaum die Taktiken derUmerziehung erahnen, nur die ihr gemässe Form einer stillen Retraite nach Innen, dasVerschleiern der grün-braunen Augen, das Zusammenpressen eines schmalen Mundesund die leichte Neigung des Kopfes, welche den Abschluss mit allem signalisierte, demLernen, dem Aufstieg, der Macht und auch der Liebe.Die Zermürbungstaktiken auf meiner Seite der Mauer waren direkter, da keine Skandaleund auch keine spektakulären Auftritte zu befürchten waren. Die zerplatzten Milchtütengehörten dazu, das stundenlange Suchen im Unterholz nach dem wohlmöglich in zehnMetern Höhe hängen gebliebenen Fallschirm, das rasche Abdrehen des Helikopters,gleichgültig, ob der Schirm sich überhaupt geöffnet hatte oder sowieso alles <strong>als</strong>undefinierbare Pampe auf dem Hausdach zerschellt war, und die brutale Kühlheit, mitder rigoros einmal im Monat der Haken an der Schnur herabkam, an den ich dienächsten hundert beschriebenen Seiten zu klinken hatte! Verweigerte ich dasbeamtenhafte Abliefern meiner Texte, liessen die Nahrungsmittel mit schönerRegelmässigkeit auf sich warten, und die Wasserleitung tröpfelte plötzlich nur noch.Mehr beschriebenes Papier wurde mit artigen Süssigkeiten entlohnt, was beinaheentwürdigender war <strong>als</strong> der geschickte Entzug von Nahrung und Wasser.Heute sollte anscheinend etwas anderes stattfinden. Der Helikopter senkte sich tieferherab, und aus der Klappe am Bauch wurde langsam eine Gestalt abgeseilt, die auf demFlachdach landete, sich aus dem Sitz ausklinkte, mit einer Handbewegung signalisierte,dass alles in Ordnung sei, und unter dem dröhnenden Abdrehen der grossen Maschinelangsam über das Dach auf die Wendeltreppe zuging, indigniert den vergammelten
25Resten und zerbrochenen Plastikgefässen des letzten Absturzes ausweichend, die ichnoch nicht für nötig gehalten hatte, wegzuräumen.Es war der Vernehmungsoffizier persönlich, wie immer im sauberen Fräckchen undklarem Mützchen, die jetzt die Treppe herunterkletterte und über den knirschenden Kiesvor der Villa auf mich zukam."Na - keine Freude, endlich Gesellschaft zu haben?" Sie streckte mir scheinbar herzlichbeide Hände entgegen. Ich schüttelte den Kopf und dachte bei mir: Maya - Maya! Washaben sie wohl mit dir gemacht?"Ein bisschen schmuddelig da oben." Sie deutete auf das Dach hinauf. "Keine sehreinladende Umgebung.""Das liegt an den schlechten Fallschirmen im real existierenden Matriarchat.""Oh - Oh! Ungebrochen der politische Mut. Für solche Einwegsaktionen nehmen wirimmer alte Fallschirme aus patriarchalen Armeebeständen!""Was wollen Sie?""Nicht so abweisend! Ich bin doch ihr Liebesbote. Führen sie mich mal in die gute<strong>St</strong>ube."Ohne meine Erwiderungen abzuwarten, drehte sie sich herum und betrat die Villa. ImWohnzimmer warf sie ihr Jäckchen über einen Rohrsessel, liess sich in den anderenfallen, streckte ihre Tennisschuhfüsse über den weichen, dunkelblauen Teppich undmusterte wohlgefällig den Schreibtisch, der nahe an die Terrassenfensterfront gerücktwar."Bei schönem Wetter schreiben Sie auf dem Söller, habe ich mir sagen lassen. Gibt eskeinen Willkommenstrunk?""Nein - ich muss sparen! Warum sind Sie da?"Ich lehnte mich an den Schreibtisch, so, dass mein Gesicht wenigstens etwas imSchatten lag und sie gezwungen war, ihren Kopf zu drehen und mich von unten heraufanzusehen. Wenigstens in diesem eingeschränkten Masse konnte ich in der Villa Garbodie Situation diktieren. Aber es schien sie nicht zu stören. Sie lächelte, beugte sich lässigzur Seite und fingerte in der Seitentasche des Husarenjäckchens,"Das wird Sie freuen!" Sie warf ein schmales Paperback quer durch den Raum zumSchreibtisch hinüber. Es schlitterte über einen Papierstapel und kippte auf dieBaumrindenschale mit den <strong>St</strong>iften. Mein Name stand darauf, und der Titel, welcher zuden ersten dreihundert Seiten passte, die vom Helikopter hochgezogen worden waren.Ein Vierteljahr Villa Garbo. Ein Vierteljahr Rhododendrenbüsche, zerschellteKetchupflaschen und verschmiertes Papier!"Ein bisschen düster, für meinen Geschmack! Aber das Echo in der Presse ist gut. DerHeli wirft ihnen nächste Woche ein paar Rezensionen mit hinunter, wenn Sie brav sind!""Er hätte auch das Buch abwerfen können. Warum sind Sie da?""Als Liebesbotin, ich sagte es schon.""Bisher bekam ich geöffnete, zerknitterte, und zensierte Briefe von - -""Bisher!" Sie machte eine viel sagende Pause und deutete auf das Buch. Tatsächlich,beim <strong>St</strong>urz war ein Briefumschlag heraus geglitten: Glatt, unzerstört und ohne den<strong>St</strong>empel der Zensur."Ein Geschäft!" Sie schwang sich aus dem Sessel und trat an den Schreibtisch."Sie verdienen genug an meinen Büchern!"
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