13.07.2015 Aufrufe

vollständig als pdf - Dr. Martina Schäfer, St. Gallen

vollständig als pdf - Dr. Martina Schäfer, St. Gallen

vollständig als pdf - Dr. Martina Schäfer, St. Gallen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

81Doch dieses Klassenzimmer, das war etwas anderes! Trotz <strong>St</strong>uckverzierung, Kreidetafelund verkratzten Schulbänken war es so etwas wie die freien Innenhöfe meiner eigenenMädchenzeit. Es zerquälte kein Wind die Konzentration, aber es rumorte etwas ähnlichUngreifbares wie Wind zwischen den hohen Wänden, die nun nicht mehr Schutz warenund Raum für das kindliche Moratorium, sondern Begrenzungen und Linien, innerhalbderer sich das Fragen-Können verflüchtigte in jenes Gefühl aus Ekel, Angst undkrampfhaftem Schrecken zugleich.Auch uns hatte man das Fragen verboten und die Fähigkeit genau das zu merkenausgetrieben.Und erst durch den wahrlich seltsamen Privatunterricht durch meine Peinigerin in derVilla Garbo hatte ich es wieder gelernt.Ich konnte Pater John durchschauen, da seine Seele derjenigen meiner kessschmierigenHusarenuniformträgerin glich. Ihre Verbrechen ähnelten sich mit demgrossen Unterschied, dass ich einen Spiess umdrehen konnte, von dessen Existenz dieKinder hier nicht einmal eine Ahnung hatten.Aber dieser tiefer liegende Ekel? Jener vor dem Erlebnis der öffentlichen Opferriten,jener vor meiner Welt, die mich aufgezogen hatte selber? Konnte es sein, dassMenschen, die zu opfern bereit sind auch sonst bereit sind zu jeglicher Form vonVergewaltigungen? Und dass Maja, indem sie sich auf die Macht einliess ebenfalls dazuwürde: Bereit, die schmierige Uniform der Machtmissbraucher zu tragen? Ab wann, undes lief mir ein Schauer über die Haut hinab, die sie einst geliebt hatte, wann hatte dieserProzess in ihr begonnen? Schon, <strong>als</strong> ich in ihren Armen lag und das Meer unseren Sitzbenagte wie ein hungriges Tier?Ich hatte sie geliebt und liebte sie noch, wenn man das dunkle Ziel einer vagenSehnsucht so nennen konnte.Aber wen hatte ich geliebt und wer war ich in den Augen der weiss bekleidetenPriesterin? Ihre Retterin oder ihr Opfer? Ihr Ausweg oder der letzte Anstoss insUnvermeidliche?"Ich wollte immer, dass sie mehr lernen und Möglichkeiten haben, woanders zur Schulezu gehen. Aber wo?"Heinrich hatte sich unsere Erzählung angehört. Als Ella von ihrer Schulfreundin sprach,stand er auf und legte seinen Arm um ihre Schultern. "Ihr wart ja auch noch klein.Hättest du mir das doch früher berichtet.""Ich konnte nicht. Ich hatte einmal eine Freundin und habe ihr nicht geholfen. Wie jetztunseren Mädchen. Du hast doch so an ihm gehangen, er war ja wie ein Vater für dich!"Heinrich fuhr sich über den glänzenden Kopf, schob seine Kappe zurück, setzte siewieder auf, liess sich auf dem <strong>St</strong>uhl nieder."Ihr seid wirklich sicher? Johanna, st es nicht so, dass du Pater John, begreiflicherweise,generell nicht leiden kannst?""Lena hat das gleiche erlebt wie Ute." Ellas <strong>St</strong>imme flüsterte nur mehr, Heinrich sahentgeistert von einer zur anderen."Mein Gott!" Er schlug mit der Faust auf den Tisch. "Ich bringe ihn um! Meine Kinder!""Sei leise, sie schlafen. Der Nachmittag war schlimm genug für uns."

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!