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vollständig als pdf - Dr. Martina Schäfer, St. Gallen

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83"Ja, Ella. Und vielleicht Sarah und vielleicht Bärbel...?"Ella schaute mich nachdenklich an."Du sagst, es trifft uns keine Schuld. Lena ist zu klein, Ute war es auch. Aber ich, ichhätte dam<strong>als</strong> schon..." Wieder liefen ihr die Tränen aus den Augen, sie schnupfte, undHeinrich reichte ihr sein Taschentuch."Ihr habt es ja beide versucht.""Aber nicht richtig. Ich war zu feige. Ich bin das immer. Auch sonst bei den Frauen. Ichmache nie den Mund auf.""Im Dorf geht aber das Gerücht um, du hättest den alten Weibern standgehalten undausgerechnet mit meinen alten Hosen Johannas Widerborstigkeit bestärkt." Heinrich zogden <strong>St</strong>uhl um den Tisch herum und fasste sie um die Schultern. "Komm, so feige bist dudoch nicht.""Das war etwas anderes. Da ging es nicht um mich, um solche Sachen!""Ausserdem war ja auch Johanna dabei! Die wird dir schon den nötigenWiderstandsatem eingehaucht haben. Bei uns war sie auch nicht gerade schüchtern."Ella musste lächeln. Dann schob sie den Arm ihres Mannes beiseite."Ist schon gut. Wahrscheinlich hätten wir es dam<strong>als</strong> auf die Häuserwände malenmüssen. Wer weiss, ob es uns dann geglaubt worden wäre. Wahrscheinlich braucht esimmer eine von aussen, die hilft, die irgendwie auch eine andere Sprache spricht.Trotzdem, zu den Frauen muss ich alleine gehen, dieses eine Mal, Johanna, damit siemir glauben können und nicht meinen, dass es eine ausgedachte Sache von dir gegendie Männer sei!""Und dein Gefühl von Schuld, Ella!" Heinrich schaute sie von der Seite an. "Was du dafürbrauchst, das oder so ähnliches brauchen wohl auch die Mädchen. Du bist erwachsen,du kannst besser darüber sprechen.""Ja, was ist das, verstehen lernen, warum keine zuhören wollte? Verstehen lernen, wasdas war, was Angst machte? Nicht Johns Schweinereien, nein, dieses andere, diesesKlima, diese Luft, in der wir leben und schweigen." Sie sah mich an. "Wenn ich das einstbegreifen werde, dann, ja, ich glaube, dann habe ich auch das Gefühl, dass Ute mirverziehen hat, dass sie ruhig sein kann, ruhig und schlafen in Ewigkeit."Vielleicht bildete ich es mir ein, aber es war, <strong>als</strong> weckten mich am nächsten Morgennicht die unbeschwerten Rufe der Jungen, nicht das grundsätzliche Grunzen undQuieken der Schweine, nicht die ungeplagten Muh-Töne der Kühe, die an ihr fressendesTagewerk in den Wäldern gingen. Natürlich war das alles zu hören, aber wie durcheinen Schleier, gedämpft durch ein erschrecktes Schweigen, das über dem kleinen Dorflag und selbst die Vögel in den Zweigen darüber einhüllte. Ich hörte das Murmeln ausder Küche, und Heinrichs dunklere <strong>St</strong>imme, die den Mädchen anscheinend erklärte,warum sie heute zu Hause bleiben durften. Auch ihre zustimmenden Worte klangennicht wie der helle Jubel sonst, sondern ich spürte förmlich, durch die Türe hindurch,das beruhigte Zustimmen kranker Kinder, die froh sind, sich im Bett verkriechen zudürfen statt sich der rauen Wirklichkeit stellen zu müssen."Ich gehe dann mal schauen, was sich tun lässt!"Ein <strong>St</strong>uhl schnurrte zurück, und Heinrichs Schritte verliessen das Haus."Gehst du auch raus?" Das war Lenas <strong>St</strong>imme mit einem 'Lass uns nicht allein!' darin,

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