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Der Protest_

Was geschieht nun also mit der Macht eines Gebieters, der seine Gefolgsleute mit dem Schwert dazu bringt, jeden Glauben auszuüben, den die Kirche vorschreibt, da er davon ausgeht, dass es der eine, wahre Glauben ist, nur weil ihn die Kirche vorschreibt? Auch dies ist entwurzelt und überworfen worden. Das Prinzip also, das so ruhig im Protest eingebettet lag, macht diese doppelte Tyrannei unbedeutend. Der Sitz des Pontifex und das Schwert des Kaisers danken ab und das Gewissen tritt an ihre Stelle. Der Protest jedoch belässt das Gewissen nicht allein bei seiner eigenen Gebieterin – das Gewissen ist kein Gesetz für sich selbst. Dies wäre eine anarchische Rebellion gegen Ihn, der ihr eigener Herr ist. Der Protest verkündet, dass die Bibel das Gesetz des Gewissens ist und dass Ihr Urheber der Herr allein ist. Somit steuert sie auf ihrem Kurs zwischen zwei sich gegenüberstehenden Gefahren, vermeidet hier die Anarchie und dort die Tyrannei, und so schreitet der Protestantismus voran, breitet vor den Augen der Nationen die Flagge wahrer Freiheit aus. Um diese Flagge mögen sich all diejenigen scharen, deren Verlangen es ist, frei zu sein.

Was geschieht nun also mit der Macht eines Gebieters, der seine Gefolgsleute mit dem Schwert dazu bringt, jeden Glauben auszuüben, den die Kirche vorschreibt, da er davon ausgeht, dass es der eine, wahre Glauben ist, nur weil ihn die Kirche vorschreibt? Auch dies ist entwurzelt und überworfen worden. Das Prinzip also, das so ruhig im Protest eingebettet lag, macht diese doppelte Tyrannei unbedeutend. Der Sitz des Pontifex und das Schwert des Kaisers danken ab und das Gewissen tritt an ihre Stelle. Der Protest jedoch belässt das Gewissen nicht allein bei seiner eigenen Gebieterin – das Gewissen ist kein Gesetz für sich selbst. Dies wäre eine anarchische Rebellion gegen Ihn, der ihr eigener Herr ist. Der Protest verkündet, dass die Bibel das Gesetz des Gewissens ist und dass Ihr Urheber der Herr allein ist. Somit steuert sie auf ihrem Kurs zwischen zwei sich gegenüberstehenden Gefahren, vermeidet hier die Anarchie und dort die Tyrannei, und so schreitet der Protestantismus voran, breitet vor den Augen der Nationen die Flagge wahrer Freiheit aus. Um diese Flagge mögen sich all diejenigen scharen, deren Verlangen es ist, frei zu sein.

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<strong>Der</strong> <strong>Protest</strong><br />

nicht, es ist klar, läßt nicht in der Finsternis irren, es lehrt sich selbst, tut sich selbst auf und<br />

bescheint die menschliche Seele mit allem Heil und Gnaden, tröstet sie in Gott, demütigt sie,<br />

so daß sie selbst verliert, ja verwirft und faßt Gott in sich, in dem lebt sie, danach fechtet<br />

sie.“ Zwingli hatte die Wahrheit dieser Worte an sich selbst erfahren. Später spricht er noch<br />

einmal von dieser Erfahrung: „Als ich vor sieben oder acht Jahren anhub, mich ganz an die<br />

Heilige Schrift zu lassen, wollte mir die Philosophie und Theologie der Zänker immerdar<br />

ihre Einwürfe machen. Da kam ich zuletzt dahin, daß ich dachte (doch mit Schrift und Wort<br />

Gottes dazu geleitet): Du mußt das alles lassen liegen und die Meinung Gottes lauter aus<br />

seinem eigenen einfältigen Wort lernen. Da hub ich an, Gott um sein Licht zu bitten, und<br />

fing mir an, die Schrift viel heller zu werden.“<br />

Die Lehre, die Zwingli verkündigte, hatte er nicht von Luther empfangen: es war die<br />

Lehre Christi. „Predigt Luther Christus“, schrieb der schweizerische Reformator, „so tut er<br />

eben dasselbe, was ich tue; wiewohl, Gott sei gelobt, durch ihn eine unzählbare Welt mehr<br />

als durch mich und andere zu Gott geführt werden. Dennoch will ich keinen anderen Namen<br />

tragen als den meines Hauptmanns Christi, dessen Kriegsmann ich bin; der wird mir Amt<br />

und Sold geben, so viel ihm gut dünkt.“ — „Dennoch bezeuge ich vor Gott und allen<br />

Menschen, daß ich keinen Buchstaben alle Tage meines Lebens Luther geschrieben habe,<br />

noch er mir, noch habe ich solches veranstaltet. Solches habe ich nicht unterlassen aus<br />

Menschenfurcht, sondern weil ich dadurch habe allen Menschen offenbaren wollen, wie<br />

einhellig der Geist Gottes sei, daß wir so weit von einander wohnen, dennoch so einhellig<br />

die Lehre Christi lehren, obwohl ich ihm nicht anzuzählen bin, denn jeder von uns tut, soviel<br />

ihm Gott weist.“<br />

Zwingli wurde 1516 eine Pfarrstelle am Kloster zu Einsiedeln angeboten. Hier erhielt er<br />

einen klareren Einblick in die Verderbtheit Roms. Er übte einen reformerischen Einfluß aus,<br />

der sich weit über seine heimatlichen Alpen hinaus fühlbar machen sollte. Ein angeblich<br />

Wunder wirkendes Gnadenbild der Jungfrau Maria gehörte zu den Hauptanziehungspunkten<br />

in Einsiedeln. Über der Eingangspforte des Klosters prangte die Inschrift: „Hier findet man<br />

volle Vergebung der Sünden.“1 Das ganze Jahr hindurch zogen Pilger zum Altar der Maria.<br />

Doch einmal im Jahr kamen sie in großer Zahl aus allen Teilen der Schweiz und auch aus<br />

Deutschland und Frankreich. Dieser Anblick schmerzte Zwingli sehr, und er benutzte solche<br />

Gelegenheiten, ihnen die herrliche Freiheit des Evangeliums zu verkündigen.<br />

Die Vergebung der Sünden und das ewige Leben seien „bei Christo und nicht bei der<br />

heiligen Jungfrau zu suchen; der Ablaß, die Wallfahrt und Gelübde, die Geschenke, die man<br />

den Heiligen machte, haben wenig Wert. Gottes Gnade und Hilfe sei allen Orten gleich nahe<br />

und er höre das Gebet anderswo nicht weniger als zu Einsiedeln“. — „Wir ehren Gott mit<br />

Plappergebeten, mit auswendigem Schein der Kutten, mit weißem Geschleife, mit<br />

säuberlich geschorenen Glatzen, mit langen, schön gefalteten Röcken, mit wohlvergüldeten<br />

Mauleseln.“ — „Aber das Herz ist fern von Gott.“ — „Christus, der sich einmal für uns<br />

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