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Der Protest_

Was geschieht nun also mit der Macht eines Gebieters, der seine Gefolgsleute mit dem Schwert dazu bringt, jeden Glauben auszuüben, den die Kirche vorschreibt, da er davon ausgeht, dass es der eine, wahre Glauben ist, nur weil ihn die Kirche vorschreibt? Auch dies ist entwurzelt und überworfen worden. Das Prinzip also, das so ruhig im Protest eingebettet lag, macht diese doppelte Tyrannei unbedeutend. Der Sitz des Pontifex und das Schwert des Kaisers danken ab und das Gewissen tritt an ihre Stelle. Der Protest jedoch belässt das Gewissen nicht allein bei seiner eigenen Gebieterin – das Gewissen ist kein Gesetz für sich selbst. Dies wäre eine anarchische Rebellion gegen Ihn, der ihr eigener Herr ist. Der Protest verkündet, dass die Bibel das Gesetz des Gewissens ist und dass Ihr Urheber der Herr allein ist. Somit steuert sie auf ihrem Kurs zwischen zwei sich gegenüberstehenden Gefahren, vermeidet hier die Anarchie und dort die Tyrannei, und so schreitet der Protestantismus voran, breitet vor den Augen der Nationen die Flagge wahrer Freiheit aus. Um diese Flagge mögen sich all diejenigen scharen, deren Verlangen es ist, frei zu sein.

Was geschieht nun also mit der Macht eines Gebieters, der seine Gefolgsleute mit dem Schwert dazu bringt, jeden Glauben auszuüben, den die Kirche vorschreibt, da er davon ausgeht, dass es der eine, wahre Glauben ist, nur weil ihn die Kirche vorschreibt? Auch dies ist entwurzelt und überworfen worden. Das Prinzip also, das so ruhig im Protest eingebettet lag, macht diese doppelte Tyrannei unbedeutend. Der Sitz des Pontifex und das Schwert des Kaisers danken ab und das Gewissen tritt an ihre Stelle. Der Protest jedoch belässt das Gewissen nicht allein bei seiner eigenen Gebieterin – das Gewissen ist kein Gesetz für sich selbst. Dies wäre eine anarchische Rebellion gegen Ihn, der ihr eigener Herr ist. Der Protest verkündet, dass die Bibel das Gesetz des Gewissens ist und dass Ihr Urheber der Herr allein ist. Somit steuert sie auf ihrem Kurs zwischen zwei sich gegenüberstehenden Gefahren, vermeidet hier die Anarchie und dort die Tyrannei, und so schreitet der Protestantismus voran, breitet vor den Augen der Nationen die Flagge wahrer Freiheit aus. Um diese Flagge mögen sich all diejenigen scharen, deren Verlangen es ist, frei zu sein.

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<strong>Der</strong> <strong>Protest</strong><br />

den Schutz des Königs. Auf jeden Fall bringe mich nicht in Ungelegenheiten bei der<br />

theologischen Fakultät.“<br />

Doch als sich die Gefahren häuften, wurde Bequins Eifer um so größer. Weit davon<br />

entfernt, auf die weltklugen und eigennützigen Ratschläge des Erasmus einzugehen,<br />

entschloß er sich zu noch kühneren Maßnahmen. Er wollte nicht nur die Wahrheit<br />

verteidigen, sondern auch den Irrtum angreifen. Die Anschuldigung der Ketzerei, welche die<br />

Katholiken gegen ihn geltend zu machen suchten, wandte er gegen sie. Die rührigsten und<br />

erbittersten seiner Gegner waren die gelehrten Doktoren und Mönche an der theologischen<br />

Fakultät der großen Universität Paris, eine der höchsten kirchlichen Autoritäten sowohl für<br />

die Stadt als auch für die Nation. Den Schriften dieser Doktoren entnahm Berquin zwölf<br />

Sätze, die er öffentlich als der Heiligen Schrift zuwiderlaufend und ketzerisch erklärte; und<br />

er wandte sich an den König mit der Bitte, in dieser Sache zu entscheiden.<br />

<strong>Der</strong> Monarch, der nicht abgeneigt war, die Kraft und den Scharfsinn der sich<br />

bekämpfenden Führer zu messen, freute sich, eine Gelegenheit zu haben, den Hochmut<br />

dieser stolzen Mönche zu demütigen, und gebot ihnen, ihre Sache mit der Bibel zu<br />

verteidigen. Diese Waffe konnte ihnen, wie sie wohl wußten, wenig helfen; Einkerkerung,<br />

Marterqualen und der Scheiterhaufen waren Waffen, die sie besser zu gebrauchen<br />

verstanden. Die Lage hatte sich gewendet, und sie sahen sich im Begriff, selbst in die Grube<br />

zu fallen, in die sie Berquin stürzen wollten. Ratlos sannen sie auf einen Weg, wie sie<br />

entkommen könnten.<br />

Um diese Zeit war ein an einer Straßenecke aufgestelltes Standbild der Jungfrau Maria<br />

verstümmelt worden. In der Stadt herrschte große Aufregung. Scharenweise strömte das<br />

Volk zu der Stätte und gab seinem Bedauern und seiner Entrüstung über diese Freveltat<br />

Ausdruck. Auch der König war tief betroffen. Hier bot sich eine Gelegenheit, aus welcher<br />

die Mönche großen Vorteil ziehen konnten, und sie zögerten nicht lange. „Dies sind die<br />

Früchte der Lehren Berquins“, riefen sie. „Alles geht seinem Umsturz entgegen — die<br />

Religion, die Gesetze, ja selbst der Thron — infolge dieser lutherischen Verschwörung.“<br />

Wiederum setzte man Berquin gefangen. <strong>Der</strong> König verließ Paris, und so hatten die<br />

Mönche Freiheit, nach eigenem Willen zu handeln. <strong>Der</strong> Reformator wurde verhört und zum<br />

Tode verurteilt, und damit Franz zuletzt nicht noch einschritte, ihn zu retten, vollzog man<br />

das Urteil am gleichen Tage, da es ausgesprochen worden war. Um die Mittagsstunde führte<br />

man Berquin zum Richtplatz. Eine un geheure Menschenmenge hatte sich versammelt, um<br />

der Hinrichtung beizuwohnen, und viele erkannten mit Staunen und Besorgnis, daß das<br />

Opfer den besten und rechtschaffensten Adelsfamilien Frankreichs angehörte. Bestürzung,<br />

Entrüstung, Verachtung und bitterer Haß verfinsterten die Angesichter jener wogenden<br />

Menge; aber auf einem Antlitz ruhte kein Schatten. Die Gedanken des Märtyrers weilten<br />

weitab von jenem Schauplatz der Aufregung; er war sich nur der Gegenwart seines Herrn<br />

bewußt.<br />

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