[Begrüßung Breuer] - Bundesministerium für Arbeit und Soziales
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Innerhalb des gr<strong>und</strong>legenden Wertesystems ist aber – Rau zufolge – nicht jede<br />
„Ungleichheit“ mit „Ungerechtigkeit“ gleich zu setzen. Eine Ungleichheit, die darauf<br />
beruht, dass unterschiedliche Leistungen auch unterschiedlich belohnt werden, ist in<br />
gewissem Maße angemessen. Eine übermäßige Steigerung von Ungleichheit führt<br />
jedoch zu einem Punkt, an dem Ungerechtigkeit entsteht <strong>und</strong> die Freiheit eines Teils<br />
der Gesellschaft eingeschränkt wird. Es gehe also um einen Balanceakt, den Rau zu<br />
der Frage zuspitzt: „Wie viel Ungleichheit braucht eine Leistungsgesellschaft, <strong>und</strong> wie<br />
viel wirtschaftliche <strong>und</strong> gesellschaftliche Ungleichheit verträgt der soziale Friede, der<br />
ein eigener Wert ist <strong>und</strong> zugleich ein wichtiger Standortfaktor?“<br />
Um Armut erfolgreich bekämpfen zu können, muss das politische Handeln an den<br />
Werten Solidarität <strong>und</strong> Gerechtigkeit, Mitmenschlichkeit <strong>und</strong> Mitgefühl orientiert<br />
werden. Auch die „Teilhabe am gesellschaftlichen Leben“ stellt einen Wert dar, <strong>und</strong> die<br />
Einbeziehung in das Beschäftigungssystem bedeutet insofern mehr als nur einen<br />
Einkommenserwerb. Allgemeine Zugangsmöglichkeiten zum Beschäftigungssystem<br />
sind die Voraussetzung <strong>für</strong> individuelle Lebensgestaltung.<br />
4.2 Wissenschaftliche Weiterentwicklung der Berichterstattung<br />
Der zweite Themenblock des Symposiums rückt die Weiterentwicklung der wissen-<br />
schaftlichen Gr<strong>und</strong>lagen der Armuts- <strong>und</strong> Reichtumsberichterstattung ins Zentrum. Ein<br />
besonderes Problem stellt der Übergang von einer sozialphilosophischen Konzept-<br />
bildung zu einer empirisch fassbaren Konkretisierung von „Lebenslage“ dar. Damit be-<br />
fassen sich die beiden Fachvorträge:<br />
Jürgen Volkert differenziert unter dem Thema „Systematisierung der Armuts- <strong>und</strong><br />
Reichtumsmessung in Deutschland“ von einem handlungstheoretischen Ansatz her<br />
das Verhältnis von objektiven Handlungsspielräumen <strong>und</strong> subjektiven Vorausset-<br />
zungen. In Anlehnung an Sens Konzept der „capabilities“ entwickelt Volkert die These,<br />
dass „Armut als Mangelsituation durch eine Betrachtung von Verwirklichungschancen<br />
differenzierter untersucht werden kann als allein durch die Betrachtung der in einem<br />
Haushalt vorhandenen Ressourcen oder des erzielten Lebensstandards“. Dabei erge-<br />
ben sich die individuellen Chancen, „ein Leben nach eigenen Zielvorstellungen zu<br />
verwirklichen“, aus dem Wechselspiel von „instrumentellen Freiheiten“ (bzw. objektiven<br />
gesellschaftlichen Bedingungen) <strong>und</strong> der „individuellen Ausstattung“ (bzw. subjektiven<br />
Ressourcen), wobei zusätzlich subjektive Präferenzen zu berücksichtigen sind. Inner-<br />
halb dieses konzeptionellen Rahmens lässt sich „Reichtum“ beschreiben zum einen –<br />
im positiven Sinne – als ein sehr hohes Maß an Verwirklichungschancen auf Gr<strong>und</strong><br />
einer sehr umfangreichen individuellen Ausstattung, zum andern – in einer kritischen<br />
Sichtweise des „Machtaspektes“ – aber auch als Übermaß an instrumentellen Frei-<br />
heiten, die zu Lasten anderer genutzt werden können.