[Begrüßung Breuer] - Bundesministerium für Arbeit und Soziales
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flusst (Nahnsen 1975). In der Sozialberichterstattung wird dieses Stützungspotenzial<br />
mitunter quantitativ unter Begriffe wie soziales Netzwerk oder qualitativ unter soziales<br />
Kapital gefasst. In der Lebenslagenforschung wurde dieser Aspekt bislang nicht als<br />
zentrale Dimension herausgestellt. Dies ist umso erstaunlicher, als die Lebenslage von<br />
Frauen im hohen Maße durch deren „Sozialbindungsspielraum“ beeinflusst ist (Enders-<br />
Dragässer, Sellach 1999). Darunter werden „Belastungen <strong>und</strong> Entlastungen, Versor-<br />
gungs-Verpflichtungen durch Mutterschaft, durch Familienzugehörigkeit, durch Ehe<br />
<strong>und</strong> Beziehungen“ verstanden. Von daher wäre es im Rahmen einer am Lebenslagen-<br />
konzept ausgerichteten Armuts- <strong>und</strong> Reichtumsberichterstattung angebracht, zu erfas-<br />
sen, inwieweit etwa soziale Bindungen <strong>und</strong> Beziehungen eine allgemeine oder eher<br />
eine geschlechtsspezifische Ressource darstellen <strong>und</strong> als Handlungsspielraum den<br />
Zugang zu weiteren Lebenslage-relevanten Dimensionen eröffnen.<br />
2. Lebenslage als Wirkzusammenhang von objektiven Bedingungen <strong>und</strong> subjektiver<br />
Wahrnehmung<br />
2.1 Zufriedenheitsparadoxon <strong>und</strong> Unzufriedenheitsdilemma<br />
Bei der Konzeptualisierung von Lebenslagen als Gr<strong>und</strong>lage einer Armuts- <strong>und</strong> Reich-<br />
tumsberichterstattung stellt sich die Frage, inwieweit die subjektive Wahrnehmung von<br />
objektiven Lebensbedingungen in den Ansatz integriert werden soll. Auch wenn sich<br />
qualitative Studien (Lompe 1987) auf die sozialphilosophisch-anthropologische<br />
Aspekte der frühen Definitionen von Weisser berufen können, gab dieser selbst später<br />
zu bedenken, dass „das Maß der Zufriedenheit mit der Lebenslage ... manipuliert sein“<br />
kann (Weisser 1972). Das Problem, subjektive Aussagen zur Lebenslage zu einem<br />
Bestandteil der Armuts- <strong>und</strong> Reichtumsberichterstattung zu machen, wird deutlich,<br />
wenn man sich etwa vergegenwärtigt, dass situative affektive Momente derartige<br />
Aussagen überformen <strong>und</strong> sich die Bewertungen im Zeitverlauf vergleichsweise rasch<br />
verändern können. So kann sich etwa bei sich verschlechternden Erwerbschancen auf<br />
dem <strong>Arbeit</strong>smarkt <strong>und</strong> hohem Risiko, in Folge von <strong>Arbeit</strong>slosigkeit zu verarmen, die<br />
Zufriedenheit mit der eigenen Erwerbs- <strong>und</strong> Einkommensposition verbessern, obschon<br />
sich die objektiven Bedingungen keineswegs verändert hatten. Dies führt bei<br />
Befragung von Personen auch zu der bekannten Heterogenität in der Einschätzung der<br />
Lebensqualität bei ähnlicher Einkommenslage, je nachdem, welcher Aspekt in den<br />
Vordergr<strong>und</strong> gerückt wird.<br />
Auch wenn es sich als sehr schwierig gestaltet, muss eine am Lebenslagenkonzept<br />
ausgerichtete Armuts- <strong>und</strong> Reichtumsberichterstattung berücksichtigen, dass gute<br />
Lebensbedingungen mit einer als schlecht wahrgenommenen Lebensqualität einher-<br />
gehen können (Unzufriedenheitsdilemma, Dissonanz), <strong>und</strong> umgekehrt schlechte<br />
Lebensbedingungen mit positiven Bewertungen (Zufriedenheitsparadoxon, Adaption)<br />
einhergehen können. Der Zusammenhang von Lebensbedingungen <strong>und</strong> subjektiven<br />
Wohlbefinden (Tabelle 2) ist ein klassisches Erklärungsproblem der Lebensqualität