[Begrüßung Breuer] - Bundesministerium für Arbeit und Soziales
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Bei den nicht-einkommensarmen allein Erziehenden <strong>und</strong> jungen Erwachsenen in<br />
Westdeutschland entspricht die subjektive Einschätzung der Lebensqualität den objek-<br />
tiven Bedingungen (Abbildung 1). Demgegenüber werden von den ostdeutschen allein<br />
Erziehenden die Einschränkungen in den objektiven Wohnverhältnissen subjektiv als<br />
unbedeutender eingeschätzt. Ein analoger Effekt findet sich bei den nicht-einkom-<br />
mensarmen jungen Erwachsenen in Ostdeutschland. Diese akzeptierende Wahr-<br />
nehmung von Deprivationsphänomenen wird noch deutlicher bei den einkommens-<br />
armen Haushalten. Das hohe Ausmaß an Einschränkungen in den Wohnbedingungen<br />
in Ostdeutschland wird subjektiv sowohl von den einkommensarmen als auch den<br />
nicht-einkommensarmen allein Erziehenden nicht im gegebenen Umfang wahrgenom-<br />
men. Hier liegt ein klassisches Zufriedenheitsparadoxon vor. Umgekehrt sind die<br />
einkommensarmen westdeutschen allein Erziehenden keineswegs derart objektiv in<br />
ihren Wohnverhältnissen eingeschränkt, wie sie subjektiv diese Wohnsituation<br />
einschätzen. Daher handelt es sich hier eher um ein Unzufriedenheitsdilemma. Unter<br />
den einkommensarmen jungen Erwachsenen in Ostdeutschland lässt sich dagegen<br />
eher ein Zufriedenheitsparadoxon beobachten. Dieses Phänomen tritt in ähnlicher<br />
Weise auch unter den einkommensarmen westdeutschen jungen Erwachsenen auf.<br />
Von daher könnte man vermuten, dass eine niedrige Qualität im Wohnbereich auf<br />
Gr<strong>und</strong> von Einkommensschwäche in dieser Lebensphase häufiger gegeben ist <strong>und</strong> sie<br />
als befristete Übergangssituation betrachtet wird, die quasi in Kauf zu nehmen ist. Vor<br />
diesem Hintergr<strong>und</strong> werden dann Mangelerscheinungen subjektiv nicht als Beeinträch-<br />
tigung der Lebensqualität wahrgenommen. Da die unterschiedliche subjektive Wahr-<br />
nehmung von objektiven Lebensbedingungen die Nutzung von Handlungsalternativen<br />
beeinflusst, kann eine am Lebenslagenkonzept ausgerichtete Armuts- <strong>und</strong> Reichtums-<br />
berichterstattung derartige Inkonsistenzen nicht ausklammern.<br />
3. Lebenslage als Folge <strong>und</strong> Ursache eingeschränkter gesellschaftlicher Teilhabe<br />
3.1 Dualität von Lebenslage als zu erklärender Sachverhalt (Explanandum) <strong>und</strong><br />
erklärender Sachverhalt (Explanans)<br />
Beim Lebenslagenkonzept ist zu berücksichtigen, dass die Lebenslage sowohl einen<br />
zu erklärenden Sachverhalt (Explanandum) als auch einen erklärenden Sachverhalt<br />
(Explanans) darstellt. Zum einen kann eine Lebenslage als Folge ungleicher Verteilung<br />
von Gütern, Fähigkeiten <strong>und</strong> Chancen erklärt werden (Explanandum). Daneben ist die<br />
Lebenslage jedoch auch die Ursache <strong>für</strong> unterschiedliche Wahrnehmung von Chancen<br />
der Ausgestaltung individueller Handlungsspielräume unter bestimmten sozialstruk-<br />
turellen Rahmenbedingungen dar (Explanans). Bei diesem dualen Charakter spielen<br />
unterschiedliche Selektivitätskriterien eine wesentliche Rolle. Daher ist zu unter-<br />
scheiden zwischen der Wahrscheinlichkeit des Eintritts in eine Lebenslage <strong>und</strong> der<br />
Wahrscheinlichkeit, diese Lebenslage auf eine bestimmte Weise zu bewältigen <strong>und</strong><br />
auszugestalten. Um die Dualität von Lebenslagen als Ergebnis <strong>und</strong> Bedingung zu<br />
beobachten <strong>und</strong> zum Gegenstand einer Armuts- <strong>und</strong> Reichtumsberichterstattung zu