DER LUZERNER UNTERGRUND 1850-1920 - Terminus Textkorrektur
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2. Siedlungsgeschichtlicher Abriss<br />
Bereits im Mittelalter war im Westen Luzerns, ausserhalb des alten Mauergürtels, eine<br />
Vorstadt entstanden, die sogenannte St.-Jakobs-Vorstadt. Das dort gelegene Siechenhaus zu<br />
St. Jakob - St. Jakob war der Schutzpatron der Pilger -, das als Herberge für durchreisende<br />
Pilger diente, gab ihr den Namen. Die Stadtumwallung wurde erweitert und durch Tore<br />
abgeschlossen (1297 Basler Tor, Ende der 50er Jahre des 19. Jh. beim Kasernenneubau<br />
abgebrochen, sowie Sentitor). So wuchs die Vorstadt zwischen einem innern und einem<br />
äussern Mauergürtel heran (siehe Martini-Plan Anhang 58). Die Bezeichnung "Niederer<br />
Grund" für die Hintersässen-Vorstadt ist schon im 15. Jh. bezeugt. Bis 1840 war der<br />
Scharfrichter auf der unbebauten Sentimatte an der Reuss ansässig, was dem Quartier einen<br />
etwas unheimlichen Charakter verlieh. 1856 brannte das Scharfrichterhaus nieder, worauf die<br />
Sentimatte verkauft wurde. Mit der Entfestigung des linken Ufers in den 50er und v.a. in der<br />
ersten Hälfte der 60er Jahre des 19. Jh. verschwanden die Grenzmarken unterschiedlichen<br />
Rechts. Mit dem Ausgreifen der Bebauung entlang des schmalen Landstreifens nach Norden<br />
verstärkte sich die topographische Isolierung des Untergrunds.<br />
Bereits 1840 säumten Häuser die Baselstrasse entlang der Flanke des Gütschwaldes - eine<br />
ausgesprochene Ungunstlage, ohne Sonnenbescheinung im Dezember und Januar - bis zum<br />
Kreuzstutz. 18 Bis 1890 wurden an der Baselstrasse 51 Neubauten erstellt. Die Bebauung<br />
verdichtete sich, Siedlungslücken wurden aufgefüllt. Im Gegensatz zu den gleichzeitig<br />
entstehenden Wohnquartieren Bruch, Zürichstrasse und Halde wurde im Untergrund bis 1890<br />
aber kaum neues Siedlungsgebiet erschlossen (siehe Anhang 59: neue Siedlungsgebiete 1890<br />
und Anhang 60: Neubauten an der Baselstrasse 1838-1890). Neben alte, kleingewerblichen<br />
Zwecken dienende Biedermeier-Häuschen aus der Regenerationszeit kamen neue<br />
Vorstadthäuser - z.T. Doppelwohnhäuser - zu stehen. 19 Die Durchmischung alter und neuer<br />
Bausubstanz schuf ein uneinheitliches, von Werkstattanbauten und Häusern unterschiedlicher<br />
Geschosshöhe geprägtes, lebendiges Strassenbild. 1897 bestanden im Untergrund 12 Häuser<br />
nur aus Erdgeschoss und Dachräumen. Umgekehrt fehlten die im Stadtzentrum verbreiteten<br />
fünf- und sechsstöckigen Bauten. 20<br />
Die St.-Jakobs-Vorstadt erfuhr im Zuge des liberalen Umschwungs 1832<br />
(Regenerationsregime) gegen die Jahrhundertmitte eine Aufwertung als Wohnstandort.<br />
Einflussreiche liberale Politiker wählten sie als Domizil - ob diese Wahl eine politische Geste<br />
beinhaltete, muss offen bleiben - und liessen sich klassizistische Häuser erbauen. 1861<br />
wohnten dort zwei Regierungsräte, ein Grossrat, zwei Kleinstadträte, vier Grossstadträte und<br />
ein Oberrichter. Das Gebiet Kasernenplatz bot zu einer Zeit, in der die Überbauung der<br />
sonnigen Südhänge mit Villen wegen fehlender Druckwasserversorgung noch nicht eingesetzt<br />
hatte, durchaus Standortvorteile: Zentralität und gewisse Distanz zur dicht überbauten<br />
18 Martin (1951), S. 29.<br />
19 Meyer (1978), S. 421.<br />
20 Pietzcker (1898), S. 63.<br />
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