DER LUZERNER UNTERGRUND 1850-1920 - Terminus Textkorrektur
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und 1910 entwickelte sich das Gebiet zum Gewerbe-, Industrie- und Wohnareal. Einige<br />
stattliche, freistehende Häuser mit Umschwung hoben sich von den Fabrikbauten und<br />
Mietskasernen ab. Als 1894 das Eisenbahntrassee im Untergrund auf einen vier Meter hohen<br />
Damm verlegt wurde, damit die Züge in den neuen, höher gelegenen Gütschtunnel einfahren<br />
konnten, verschwand die Sentimatte, von der Baselstrasse aus gesehen, hinter einer Mauer.<br />
Der Niveauübergang der Eisenbahn bei der Sentikirche wich einer Überführung.<br />
Geschlossene Barrieren hatten den innerstädtischen Verkehr bis zu diesem Zeitpunkt während<br />
mehrerer Stunden am Tag blockiert (siehe Anhang 49 und 68). Die räumliche Isolierung der<br />
Sentimatte beschnitt den sozialen Austausch mit den übrigen Quartiergebieten. Der<br />
Sozialisations- und Erlebnisraum verengte sich zusehends auf die einzelnen Strassen; die<br />
räumliche Trennung förderte quartierinterne Rivalitätsrituale, z.B. in Form von<br />
Jugendschlachten. Nach mündlicher Auskunft pflegten "Sentimättler" und "Baselsträssler" um<br />
<strong>1920</strong> wenig Kontakt miteinander.<br />
Auch bei der Linienführung des Trams drohte dem Untergrund Ende 19. Jh. Benachteiligung.<br />
Der ursprünglich für die Strecke Bahnhof-Untergrund vorgesehene Zickzackkurs via<br />
Hirschmattstrasse wurde schliesslich zugunsten der direkten Linienführung durch die<br />
Bahnhofstrasse fallengelassen.<br />
Ab den 90er Jahren bis zum Ersten Weltkrieg herrschte in der Stadt ein Bauboom. 1890-1900<br />
wurden mehr Häuser erstellt als in den 30 Jahren zuvor. V.a. im Hirschmatt- und<br />
Neustadtquartier sezte nach dem Neubau des Bahnhofs 1894-96 und der definitiven<br />
Geleisführung der Eisenbahn die Überbauung im grossen Stil ein. Im Ersten Weltkrieg brach<br />
der Bauboom zusammen: 1910-<strong>1920</strong> wurden total 268 Wohnhäuser gebaut, die meisten<br />
davon auf dem linken Ufer und vor 1915; während des Krieges kamen noch ganze 41<br />
Wohnungen dazu. 25 Um 1910 unterschieden sich die beiden Stadtteile in städtebaulicher<br />
Hinsicht bereits stark: Während das linke Ufer Mehrfamilienblöcke prägten, dominierten auf<br />
dem rechten Ein- bis Vierfamilienhäuser. 26 Ein Vergleich der Anzahl Häuser im Untergrund<br />
in den Jahren 1910 und <strong>1920</strong> zeigt, dass dort kaum gebaut wurde (Bruch und Untergrund<br />
wiesen 1910 zusammen 334 Wohnhäuser auf, die entsprechenden Bezirke Basel-/Bernstrasse<br />
und Gütsch/Gibraltar <strong>1920</strong> zusammen 326). Der Baubestand überalterte zusehends im<br />
Vergleich mit jenem der neuen Wohnviertel (zur Häuserzahl in den Quartieren 1890 siehe<br />
Anhang 7).<br />
An den repräsentativen Architekturströmungen der Belle Epoque, die evokative<br />
Jugendstilarchitektur und eine etwas barocke Interpretation verschiedener Neo-Stile<br />
kennzeichnete, partizipierte der Untergrund mit Ausnahme weniger Bauten in der Sentimatte<br />
und an der Inneren Baselstrasse (Haus zum Baslertor und Geschäftshaus Bielmann, siehe<br />
Anhang 67) nicht. Während in den neuen Quartieren Hirschmatt und Neustadt Jugendstil-<br />
Mehrfamilienhäuser mit Erkern, Balkonen und Türmchen zu hauf in die Höhe schossen,<br />
25 Huber (1986), S. 86 und 258.<br />
26 Martin (1951), S. 114.<br />
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