DER LUZERNER UNTERGRUND 1850-1920 - Terminus Textkorrektur
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9. Vereinswesen<br />
9.1. Strukturmerkmale<br />
Der gesellschaftliche Wandel der Jahrhundertwende brachte einen enormen quantitativen<br />
Ausbau des Vereinswesens mit sich, ein Indiz intensiverer Freizeitgestaltung in fixen<br />
Organisationsformen. Via Vereine boten sich Chancen zur persönlichen Profilierung und zur<br />
Mehrung offiziöser Macht.<br />
Tab. 28: Städtische Vereine und Genossenschaften 1890 und 1911<br />
1890 1911<br />
Gemeinnützige Vereine/Krankenkassen 29 69<br />
Gesangs-, Geselligkeits- und Musikvereine 19 48<br />
Kunst- und wissenschaftliche Vereine 8 13<br />
Militär- und Schützenvereine 15 22<br />
Religiöse Vereine 15 23<br />
Sport- und Turnvereine 5 34<br />
Vereine zur Hebung der Berufsinteressen 30 84<br />
Abstinenzvereine - 12<br />
Diverse 10 69<br />
Total 131 374<br />
Quelle: Adressbücher 1890 und 1911.<br />
Zur Beantwortung der Frage, in welchem Ausmass Personen aus dem Untergrund in leitenden<br />
Vereinsorganen vertreten waren, habe ich die in den Adressbüchern pro Verein verzeichneten<br />
drei Vorstandschargen - Präsident, Aktuar und Kassier - auf die Wohnadresse ihrer Inhaber<br />
hin ausgezählt.<br />
Das Ergebnis ist für die Jahre 1890 und 1911 ähnlich: Sehr wenige Leute aus dem<br />
Untergrundquartier gehörten städtischen Vereinsvorständen an. 1911 bekleideten<br />
gesamtstädtisch ca. 900 Personen total 1'018 Vorstandsposten. Die mühsame Identifikation<br />
mittels Steuerregistern und Adressbüchern ergab 19 sicher und 16 eventuell von im<br />
Untergrund wohnhaften Personen besetzte Vorstandschargen. Mit einem Anteil unter 3% war<br />
der Untergrund im städtischen Vergleich massiv untervertreten. Auch die wohlhabenden<br />
Quartierbewohner besetzten nur wenige leitende Positionen. Mit Machtfülle ausgestattete<br />
Ämter bekleideten der liberale Grossstadtrat Geisshüsler (Spenglermeisterverband) und Josef<br />
Meyer (Gipsermeisterverband). Auch in Führungsgremien von Arbeitervereinen fehlten<br />
Personen aus dem Untergrund weitgehend. Ausnahmen waren die Arbeitersparkasse<br />
"Ameise", ein Abstinentenverein und die Krankenkasse organisierter Bauarbeiter. Allerdings<br />
sind jene Arbeitervereine, die weitgehend auf den Untergrund beschränkt waren (z.B.<br />
Radfahrer), in den Adressbüchern gar nicht verzeichnet. Über sie ist kaum etwas in Erfahrung<br />
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