DER LUZERNER UNTERGRUND 1850-1920 - Terminus Textkorrektur
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die städtische Arbeiterschaft tangierten (zum Teil über 40% Differenz beim Jastimmen-<br />
Anteil, siehe Anhang 46).<br />
Die quartierspezifischen Abstimmungsresultate blieben insofern ausgeglichen, als die acht<br />
städtischen Urnenkreise fast immer gleich stimmten. Nur das Hofquartier scherte zweimal aus<br />
den ansonsten geschlossenen Ja- und Neinmehrheiten der übrigen Kreise aus, als es den<br />
Lohnabbau beim städtischen Personal befürwortete und die Steuerinitiative der<br />
sozialdemokratischen Partei 1922 verwarf. Im Durchschnitt betrug die Differenz zwischen<br />
dem Wahlkreis mit dem tiefsten und jenem mit dem höchsten Jastimmen-Anteil 19,5%. Bei<br />
den heiss umstrittenen, stark ideologisch aufgeladenen Vorlagen der Nachkriegszeit war die<br />
Differenz zwischen den Gebieten Hof und Untergrund/Bruch jeweils am ausgeprägtesten.<br />
Liessen sich die Abstimmungsresultate auf den Untergrund allein und dessen Teilräume<br />
eingrenzen, fielen die Disparitäten wohl noch um einiges höher aus.<br />
Tab. 27: Jastimmen-Anteile bei hartumkämpften Vorlagen der Nachkriegszeit (in %)<br />
Bruch/Untergrund Hof<br />
Aufhebung der Militärjustiz (1921) 48.5 18.3<br />
Lex Häberlin (1922) 16.2 46.7<br />
Vermögensabgabeinitiative (1922) 25.7 6.7<br />
Arbeitszeitverlängerung (1924) 13.3 39.8<br />
Quelle: Protokolle der Einwohnergemeinde Luzern. Resultate aller Quartiere in Anhang 45.<br />
Diese brisanten Vorlagen erreichten mit über 75% auch eine sehr hohe Stimmbeteiligung.<br />
Dass bei städtischen Abstimmungsgeschäften viel weniger Stimmberechtigte an die Urne<br />
gingen - beim Kredit für Notstandsmassnahmen 1922 bloss 15%, beim Massnahmenpaket zur<br />
Förderung des Wohnungsbaus und zur Milderung der Arbeitslosigkeit 1922 nur 23% -, macht<br />
deutlich, dass die Bevölkerung dem politischen Lokalgeschehen mitunter wenig Interesse<br />
entgegenbrachte. Ausnahme bei den lokalen Abstimmungsgeschäften war die Vorlage über<br />
den Lohnabbau beim städtischen Personal, welche eine Stimmbeteiligung von knapp 70%<br />
erreichte. Leider kann die Stimmbeteiligung nicht schichtspezifisch erfasst werden. Aus dem<br />
Jahr 1955 liegt ein Hinweis vor, ungelernte Arbeiter verfielen oft dem Alkohol und gingen<br />
selten zur Urne. 224<br />
Den Grund für das Fiasko der Vermögensabgabeinitiative mit nur 17% Jastimmen in der<br />
Stadt sah der Luzerner Arbeitersekretär Graf in der massiven bürgerlichen<br />
Gegenpropaganda. 225 Die Jungkonservativen etwa witterten hinter der "Raubinitiative" einen<br />
224 FI 230/4.10.1955.<br />
225 Jb. des sozialdemokratischen Arbeitersekretariats von Luzern 1922.<br />
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