DER LUZERNER UNTERGRUND 1850-1920 - Terminus Textkorrektur
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Exkurs 2: Katholische Konkurrenzorganisationen im Kampf mit der freien<br />
Arbeiterbewegung<br />
Deren unmittelbare Präsenz und Aktivitäten im Untergrund sind nicht fassbar. Die<br />
katholischen Konkurrenzorganisationen zur freien Arbeiterbewegung stellten die Speerspitze<br />
des katholischen Milieus dar. Die folgende Milieuschilderung veranschaulicht die<br />
gesellschaftliche Isolation des Linksradikalismus in Luzern.<br />
Unter der Führung Heinrich Walthers - Luzerner Polizeidirektor und "Königsmacher" im<br />
Nationalrat - rückte der Kampf gegen den Sozialismus für die konservative Partei ins Zentrum<br />
staatspolitischen Wirkens. 308 Er war ein Merkmal der von Urs Altermatt beschriebenen Blüte<br />
der katholischen "Sonder-" bzw. "Subgesellschaft" <strong>1920</strong>-1950, die neben einem Aufschwung<br />
des Vereinswesens (z.B. Volksverein) verstärkte Integration in den freisinnig dominierten<br />
Bundesstaat beinhaltete (zweiter Bundesratssitz). Der Kanton Luzern, als ehemaliger<br />
Sonderbundskanton gewissermassen katholisches "Réduit", hatte an diesem<br />
Konsolidierungsprozess teil: Frauen- und Männerkongregationen und neue Verbände wie<br />
Jungwacht, Pfadfinder und Blauring verzeichneten in der Zwischenkriegszeit regen Zulauf. 309<br />
1934 wies der Kanton Luzern mit 51 Sektionen bzw. fast 5'000 Mitgliedern die höchste<br />
Dichte an Pfarreijungmannschaften in der Schweiz auf. 310 Im Vergleich mit der Diaspora<br />
zeichnete das katholische Vereinswesen in den schwach industrialisierten katholischen<br />
Stammgebieten um die Jahrhundertwende noch ein organisatorischer Rückstand aus. Da in<br />
ihnen traditionelle katholische Werte durch den Staat geschützt waren, fungierten die<br />
Standesvereine mehr als Nachschubbasis für die konservative Partei denn als politische<br />
Kampfinstrumente. 311 Erst mit dem Aufschwung der linken Arbeiterbewegung profilierten sie<br />
sich mehr und mehr als politische Abwehrorganisationen. Katholische Arbeiter- und<br />
Arbeiterinnenvereine, konservative Jungmannschaft und christlichsoziale Partei verband die<br />
Zugehörigkeit zur katholisch-konservativen "Grossfamilie", deren ideologische Klammer<br />
darin bestand, die gesellschaftliche Macht des Katholizismus zu wahren. Die Aktivitäten der<br />
Standesvereine lagen im sozialen und religiösen Bereich (Bildungsveranstaltungen,<br />
Haushaltungskurse, Andachten, Generalkommunion); Jugendbewegung und christlichsoziale<br />
Partei waren stärker politisch engagiert. 312<br />
Die ersten katholischen Männer- und Arbeitervereine entstanden - als Reaktion auf die<br />
wachsende Popularität des Sozialismus und in Anlehnung an die Weisungen der päpstlichen<br />
308 Gruner (1977), S. 120-121.<br />
309 Altermatt (1989), S. 102. Steiner (1992), S. 177.<br />
310 Vogt, Verbandsstatistik des Schweizerischen Katholischen Jungmannschaftsverbandes, S. 11.<br />
311 Altermatt (1989), S. 112 und 115.<br />
312 Die Vielfalt katholischer Organisationen ist in ihrer organisatorisch-personellen Vernetzung schwer fassbar.<br />
Katholische Organisationen wie etwa die "Grosse Marianische Kongregation", eine "Vereinigung gebildeter<br />
katholischer Männer und Jünglinge" (<strong>1920</strong>: 800 Mitglieder), übten wohl einen nicht zu unterschätzenden<br />
offiziös-politischen Einfluss aus, zumal auf die Kontinuität konservativer Elitebildung.<br />
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