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DER LUZERNER UNTERGRUND 1850-1920 - Terminus Textkorrektur

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Quelle: Adressbücher; Brunner (1981), S. 75; Vber. StR. Für 1911 Quartiereinteilung von<br />

1907, für 1921 jene von 1910.<br />

Sieben der zehn SP-Grossstadträte wohnten 1911 im neuen Wohngebiet zwischen der<br />

Obergrundstrasse und dem Vierwaldstättersee. Im Untergrund lebte kein SP-Parlamentarier.<br />

Hingegen waren zwei liberale Grossstadträte an der Baselstrasse wohnhaft. Noch 1921<br />

konzentrierten sich die sozialdemokratischen Mitglieder der städtischen Legislative auf dem<br />

linken Ufer: 11 der 19 SP-Grossstadträte lebten 1921 in den Bezirken Gütsch/Gibraltar,<br />

Säli/Bruchmatt, Reckenbühl/Obergrund und Allmend/Kleinmatt. 164 Im Untergrund wohnte<br />

lediglich ein SP-Ratsmitglied, Samuel Bächtold, Inhaber einer Schreinerei an der Baselstrasse<br />

und Präsident der lokalen Bau- und Holzarbeitergewerkschaft. Gemäss einem Polizeirapport<br />

sympathisierte Bächtold mit dem Kommunismus. Die beiden 1921 im Untergrund ansässigen<br />

liberalen Grossstadträte waren der vermögliche Holzhändler Baptist Meyer und<br />

Spenglermeister Josef Geisshüsler. Insgesamt gestaltete sich die Verteilung der 60<br />

Grossstadträte auf die Quartiere <strong>1920</strong> etwas ausgeglichener als vor dem Krieg.<br />

Fabrik- und Hilfsarbeiter, eine im Untergrund stark vertretene Berufskategorie, gehörten dem<br />

Grossen Stadtrat, dessen Berufsstruktur nach dem Krieg etwas breiter geworden war, keine<br />

an. Der Verkehrssektor war <strong>1920</strong> im Rat stärker, die Hotellerie schwächer vertreten. 1910 bis<br />

<strong>1920</strong> wurden insgesamt 46 Sozialdemokraten (inklusive Grütlianer) in den Grossen Stadtrat<br />

gewählt: sechs Zug-/Lokführer, zwei Bahnbeamte, fünf Bahnangestellte, drei<br />

Schiffahrtsangestellte, zwei Postangestellte, zwei Wirte, vier Handwerkermeister, sieben<br />

Handwerker, sechs Angestellte bzw. Beamte, vier Advokaten und fünf Parteifunktionäre<br />

(Berufe aller Grossstadträte 1911 und <strong>1920</strong> siehe Anhang 41). 165<br />

Mehrere Faktoren bewirkten gegen Ende des 19. Jh., dass die parteipolitische Arbeit in den<br />

Quartieren an Bedeutung gewann. Das Aufkommen der SP als dritte ernstzunehmende<br />

politische Kraft in den 90er Jahren schürte die Rivalität zwischen den Parteien.<br />

Wahlbündnisse brachten eine neue Note in die Wahlkampftaktik. Der beschleunigte<br />

gesellschaftliche Wandel im Verbund mit dem demographischen Ballungsprozess führte zu<br />

politischer Verunsicherung und brachte neuartige Probleme mit sich. Die Ablösung der<br />

offenen Abstimmung an der Gemeindeversammlung durch das Urnenwahlverfahren 1893<br />

bedeutete einen Schritt Richtung Rationalisierung und Anonymisierung der politischen<br />

Kultur. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die Stimmfähigen des Untergrunds bei wichtigen<br />

Vorlagen in Sammelformation, ausgerüstet mit Standarten und Trommeln, in die<br />

Jesuitenkirche zur Stimmabgabe gezogen. Das geheime Urnenwahlverfahren forcierte<br />

Praktiken wie Stimmkontrollen und Wahlschleppen. Die politische Agitation<br />

professionalisierte sich zusehends. 166<br />

164 Brunner (1981), S. 75. Vber. StR. Adressbücher der Stadt Luzern.<br />

165 Promptuar (SAL). Adressbücher.<br />

166 "Vom Gütsch zur Reuss", S. 50. Bussmann (1987), S. 22.<br />

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