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DER LUZERNER UNTERGRUND 1850-1920 - Terminus Textkorrektur

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Kunststeine, Öfen, Glocken und Aufzüge (Schindler) wurden im Untergrund hergestellt.<br />

Qualifizierte Arbeit leisteten um 1900 zum Teil auch Ausländer, etwa in den Branchen<br />

Bierbrauerei, Orgel-, Altarbau und Buchdruckerei. Im industriell rückständigen Kanton<br />

Luzern herrschte latenter Mangel an qualifizierten Arbeitskräften. 55 Die meisten<br />

ausländischen Arbeiter, italienische Saisonniers, verrichteten aber niedrige Dienste, z.B. beim<br />

Bau des Gütschtunnels, des Eisenbahndamms, im Steinbruch an der Baselstrasse, als<br />

Pflasterbuben, Handlanger, Maurer und Fabrikarbeiter. Einzelne Italiener führten<br />

Wirtschaften - die bekannteste war jene des Steinbruchbesitzers Bacilieri an der Baselstrasse -<br />

und Arbeiterküchen (sogenannte Cucinen). Der Grossteil der italienischen Saisonniers<br />

arbeitete nur vorübergehend in Luzern, so auch Benito Mussolini, der vor dem Weltkrieg auf<br />

der Baustelle der Dietschibergbahn (Hofquartier) im Einsatz gewesen war. 56 Nur einer<br />

schmalen Spitze italienischer Zuzüger gelang es, sich beruflich in Luzern zu etablieren.<br />

Kaderleute aus dem Baugewerbe gründeten in den 20er Jahren die ersten italienischen<br />

Baufirmen in Luzern.<br />

Die Erwerbsstruktur an der Bernstrasse beschränkte sich ausschliesslicher als an der<br />

Baselstrasse auf unselbständige Lohnarbeit im 2. Sektor. Die total 42 Steuerpflichtigen von<br />

1891 arbeiteten zu vier Fünfteln in vorwiegend subalternen Funktionen im 2. Sektor. Einzig<br />

die Sentimatte wies 1891 eine markant andere Erwerbsstruktur auf als die übrigen Gebiete im<br />

Untergrund. Sie wurde noch vorwiegend von Fabrikanten, Baumeistern, Rentnern und<br />

mittelständischen Angestellten bewohnt; Lohnarbeiter waren eher selten.<br />

Der Vergleich der Erwerbsstruktur an der Bern- und Baselstrasse mit der gesamtstädtischen<br />

ergibt deutliche Segregationsbefunde. Nur drei Bahnangestellte bzw. -beamte und 13<br />

Bahnarbeiter wohnten 1891 an der Basel- oder Bernstrasse, weniger als 4% des städtischen<br />

Bahnpersonals. Auch fast keine städtischen Angestellte und Beamte lebten an der Bern- und<br />

Baselstrasse. Da die in den Steuerregistern enthaltenen Berufsangaben meist keinen<br />

Aufschluss über den Arbeitgeber geben, habe ich für das Jahr 1910 die im Anhang des<br />

Verwaltungsberichtes des Stadtrates verzeichneten 301 städtischen Angestellten und Beamten<br />

auf ihre Wohnadresse hin ausgewertet. Resultat: Nur vier wohnten an der Basel- oder<br />

Bernstrasse. Deren Bewohner partizipierten also an den neuen mittelständischen<br />

Erwerbsmöglichkeiten, die sich seit der 2. Hälfte des 19. Jh. im Zuge des Ausbaus der<br />

staatlichen Verwaltung vermehrt boten, kaum. Sogar städtische Arbeiter waren im<br />

Untergrund untervertreten: Das Steuerregister von 1891 weist 15 Bauamtsarbeiter, bezüglich<br />

Einkommen und Sozialprestige eine unterprivilegierte Kategorie städtischen Personals, aus.<br />

Zwischen 1891 und 1910 verdoppelte sich die Zahl der Bauamtsarbeiter im Untergrund zwar<br />

auf 30, die Untervertretung im gesamtstädtischen Vergleich blieb aber bestehen (8,5% aller<br />

Bauamtsarbeiter Luzerns). Ausländer konnten in Luzern gemäss städtischer Arbeitsordnung<br />

nicht zu ständigen Arbeitern ernannt werden, eine Regelung, die neben Luzern nur noch in<br />

55 Jäger (1979), S. 132.<br />

56 "Vom Gütsch zur Reuss", S. 102.<br />

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