DER LUZERNER UNTERGRUND 1850-1920 - Terminus Textkorrektur
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jüdisch-sozialistischen Komplott aus Kreisen des Nationalrats. 226 In Dörfern der Luzerner<br />
Landschaft kam es anlässlich der Abstimmung zu exzessartigen Ausschreitungen, etwa in<br />
Sursee, wo demonstrativ ein roter "Böög" verbrannt wurde. 227<br />
Die SP-Initiativen erzielten im Gebiet Sternmatt, Tribschen und im Moosquartier bessere<br />
Ergebnisse als im Bruch/Untergrund.<br />
7. Der Untergrund im Spannungsfeld von Religion und Arbeiterbewegung<br />
7.1. Seelsorge als soziales Ordnungsinstrument<br />
72<br />
"Kein Glockenklang sprach am Sonntagmorgen<br />
zu den Herzen. So ist es zu begreifen, dass viele<br />
der Kirche fernblieben, und dass in vielen<br />
Strassen ein Geschlecht heranreifte, das andere<br />
Wege ging." (Denkschrift der neuen Kirche St.<br />
Karl, 1938)<br />
Das starke Bevölkerungswachstum im Obergrundgebiet um die Jahrhundertwende<br />
überforderte die kirchliche Infrastruktur und die seelsorgerlichen Kapazitäten der für die linke<br />
Stadtseite zuständigen Kuratkaplanei Franziskanern. Zur Behebung dieses Missstandes<br />
gründete der Stadtpfarrer 1900 das Kirchenbaukomitee Obergrund. 12 Jahre später war der<br />
Bau der Pauluskirche abgeschlossen. Formell bildete das städtische Gemeindegebiet noch<br />
eine einzige Pfarrei, die Stadtpfarrei St. Leodegar. Sie stand den Seelsorgebezirken auf der<br />
linken Stadtseite vor. Etappenweise erhielten jene mehr Kompetenzen und mit dem<br />
Inkrafttreten des neuen kirchlichen Gesetzbuches ("codex iuris civilis") 1918 schliesslich den<br />
Status selbständiger Pfarreien. 228<br />
Auch im zur Kuratkaplanei Franziskanern gehörenden Untergrund gewahrte die Luzerner<br />
Geistlichkeit gegen den Ersten Weltkrieg hin einen sich zuspitzenden pastoralen Notstand,<br />
zumal in der Jugendseelsorge. Die Eröffnung des quartiereigenen St.-Karli-Schulhauses 1911<br />
hatte dazu geführt, dass die Kinder aus Zeit- und Distanzgründen nicht mehr an der<br />
Schulmesse in der Franziskanerkirche im Stadtzentrum teilnehmen konnten. Die Sentikapelle<br />
an der Baselstrasse, ehemals Kirche des Siechenhauses, bot zu wenig Platz. 229 Seit längerem<br />
setzten sich die Senti-Seelsorger für eine grössere Kirche im Untergrund ein. Auch ein Teil<br />
der Quartierbevölkerung forderte 1912 in einer Eingabe an den Kirchenrat eine neue Kirche<br />
im Untergrund. 1914 konstituierte der Stadtpfarrer den Kirchenbauverein St. Karli-<br />
Untergrund. Seine Trägerschaft bestand aus Geistlichen, konservativen Politikern und<br />
Vertretern des Baugewerbes. Die gesellschaftliche Quartierelite war im Verein nicht<br />
vertreten. Vordringlich erschien der Trägerschaft die Beschaffung von Geld zum Kauf einer<br />
226 L 15/28.11.11922.<br />
227 "Kämpfer" 9.12.1922.<br />
228 Steiner (1992), S. 171-174.<br />
229 Steiner (1973), S. 87-88.