DER LUZERNER UNTERGRUND 1850-1920 - Terminus Textkorrektur
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Wert der Vorkriegszeit bereits dreimal mehr Metallarbeiter organisiert. Die Wirtschaftskrise<br />
Anfang der 20er Jahre zog in Luzern die Metallbranche am stärksten in Mitleidenschaft.<br />
Ganze Werkstätten standen still. Ab 1921 fiel die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder massiv.<br />
Die Mitgliederkurve der meisten Luzerner Gewerkschaften verläuft analog. Eine Ausnahme<br />
war der 1895 von Josef Albisser gegründete Luzerner Eisenbahnarbeiterverein, der sich durch<br />
hohe Stabilität seines Mitgliederbestandes auszeichnete, was einer planmässigen,<br />
kontinuierlichen Vereinspolitik förderlich war (1907: 500 Mitglieder; 1914: 400; <strong>1920</strong>: 400;<br />
1924: 400). 93 Nicht zufällig galt das im Vergleich zur Fabrikarbeiterschaft auch sesshaftere<br />
Eisenbahnpersonal als "Rückgrat" der Luzerner Arbeiterbewegung.<br />
Der Organisationsgrad der Fabrikarbeiterschaft stieg 1906-1917 zwar von ca. 20% auf 40%<br />
an, blieb damit aber noch weit hinter den bestorganisierten handwerklich-gewerblichen<br />
Branchen zurück (Organisationsgrad 1906: Steinhauer 100%, Zimmerleute 95%, Spengler<br />
90%, Holzarbeiter 85%, Schneider 60-70%, Typographen 60%). 94<br />
Im ersten Jahrzehnt des 20. Jh. häuften sich die Arbeitskämpfe (Spitzenjahre 1906 mit sieben<br />
und 1907 mit 12 Streiks, siehe Anhang 51). Am meisten gestreikt wurde im Baugewerbe<br />
(41mal), in der Bekleidungs- und Ausrüstungsindustrie kam es zu 15 Streiks, im<br />
Verkehrssektor nur zu einem. 95 Der Grossteil der Ausstände fand in den gewerkschaftlich gut<br />
organisierten handwerklichen Branchen statt. Die Streikbeteiligung unterlag starken<br />
Schwankungen: bei den fünf Streiks der Zimmerleute 1906-1914 lag sie zwischen 10% und<br />
82%, in den vier Streiks der Schuhmacher überstieg sie nie 25% der Beschäftigten. 96 Die<br />
Gesellschaft für Handel und Industrie und der Gewerbeverein reagierten mit der Ausarbeitung<br />
von Streikreglementen und internen Umstrukturierungen, um die Gewerkschaften effizienter<br />
bekämpfen zu können. 1916-1925 fanden im Vergleich zu den Spitzenjahren der<br />
Vorkriegszeit weniger, dafür grössere Ausstände statt.<br />
Erstmals wurden Anfang 20. Jh. auch Fabriken bestreikt. Zwei Streikwellen lassen sich<br />
erkennen: die erste 1902-1910 mit sieben, die zweite 1916-<strong>1920</strong> mit fünf Streiks. In der<br />
zweiten Streikwelle dominierten Angriffsstreiks. 97 In der Wirtschaftskrise Anfang der 20er<br />
Jahre streikten die Fabrikarbeiter nicht mehr.<br />
1886 hatten 67 Arbeiter und Arbeiterinnen des Eisenwerks Emmenweid (von Moos) unter<br />
Anführung ihres Direktors am Festspiel des 500-Jahr-Jubiläums der Schlacht bei Sempach<br />
teilgenommen. In Kriegstracht des 14. Jahrhunderts gekleidet, stellten sie den Tross und die<br />
Nachhut des eidgenössischen Heeres dar. Dies war der erste "Betriebsausflug" bei von Moos<br />
überhaupt. 98 Ausbau und Anonymisierung der Fabrikbetriebe veränderten das Betriebsklima<br />
um die Jahrhundertwende. 1905 und 1906 fanden bei von Moos die ersten Ausstände statt.<br />
93 Huber (1986), S. 111.<br />
94 2. Jb. des sozialdemokratischen Arbeitersekretariats Luzern 1906, S. 8. Schmid (1974), S. 54.<br />
95 Anzahl Streiks nach Berufsgruppen: Steinhauer 9, Zimmerleute 8, Schneider 7, Maler und Tapezierer 5,<br />
Schuhmacher und Schreiner je 4 (Hirter, 1988, S. 527ff.).<br />
96 Die Streikbeteiligung nach Hirter (1988) wurde korreliert mit der Beschäftigtenzahl der jeweiligen Berufsart.<br />
97 Streiks in Fabrikbetrieben fanden in den Jahren 1902, 1904, 1905, 1906, 1907, 1908 und 1910 statt.<br />
98 150 Jahre von Moos, S. 12.<br />
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