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DER LUZERNER UNTERGRUND 1850-1920 - Terminus Textkorrektur

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Stimmung in der Arbeiterschaft nach dem missglückten Landes-Generalstreik. 199 Seine<br />

Situationsanalyse traf aber nur auf die gemässigte Mehrheit der Luzerner Arbeiterschaft zu.<br />

Da sich ältere und gemässigte Sozialdemokraten nach dem Landesstreik parteiintern weniger<br />

engagierten, öffnete sich in der SP ein politisches Vakuum, das die Linkssozialisten zu füllen<br />

begannen. Im Frühling 1919 protestierten die gemässigten Sozialdemokraten mit ganzseitigen<br />

Aufrufen im "Centralschweizerischen Demokraten" gegen die antiparlamentarische Haltung<br />

der Linkssozialisten. Diese stärkten an der städtischen Parteiversammlung im Volkshaus am<br />

Abend des 1. August ihren politischen Einfluss. Ernst Oberholzer und Otto Volkart, beides<br />

keine gebürtigen Luzerner, wurden in den Parteivorstand gewählt, in dem neu eine<br />

linkssozialistische Mehrheit bestand.<br />

Im Zentrum der parteiinternen Auseinandersetzung um die ideologische Ausrichtung der SP<br />

stand 1919 die Frage des Beitritts zur 3. Internationale. Diese war im März 1919 in Moskau<br />

als straffe, zentralistische Organisation der kommunistischen Parteien gegründet worden. Die<br />

schweizerische Parteileitung hatte sich grundsätzlich für einen Beitritt ausgesprochen; der<br />

Basler Parteitag vom 16./17.8.1919 sanktionierte diese Option mit 318:147 Stimmen. 200<br />

Nachdem Ernst Oberholzer am Basler Parteitag den Antrag des Kreisvereins Untergrund auf<br />

ein "offenes und unzweideutiges Bekenntnis" zur 3. Internationale vertreten hatte, verlas<br />

Franz Welti, der Vorsitzende des Parteitages, ein ihm unter der Hand zugespieltes Schreiben<br />

Oberholzers vom April 1919 an einen gewissen John de Kay. 201 Der Skandal war perfekt:<br />

John de Kay, ein auf Schloss Steinhof zu Luzern residierender amerikanischer Millionär, war<br />

als Aktivist und Gönner der reformistischen 2. Internationale einschlägig bekannt. Aus dem<br />

Schreiben ging hervor, dass ihm Oberholzer vorgeschlagen hatte, bei der Organisation der im<br />

Sommer 1919 in Luzern abgehaltenen internationalen Konferenz reformistischer<br />

sozialdemokratischer Parteien zur Wiederaufrichtung der diskreditierten 2. Internationale<br />

mitzuhelfen. Die Befürworter der 3. Internationale distanzierten sich umgehend von<br />

Oberholzer. 202 Dieser sah sich in einem Schreiben an die Geschäftsleitung der SPS als Opfer<br />

eines "Intrigengespinsts", das sein Zentrum in Fürsprech Steiner, dem Exponenten des rechten<br />

Luzerner Parteiflügels, habe. 203<br />

Im August starteten die gemässigten sozialdemokratischen Parteihäupter eine intensive<br />

Kampagne, um die Basis auf Kurs gegen die 3. Internationale zu bringen. Ein Leitartikel des<br />

"Centralschweizerischen Demokraten" ("Ein ernstes Wort an die sozialdemokratisch<br />

organisierte Arbeiterschaft des Kantons Luzern") verunglimpfte die Anhänger der<br />

3. Internationale als "proletarische Schädlinge", die jegliche konstruktive Politik sabotierten:<br />

199 Schreiben vom 20.11.1918 an den SMUV Bern (SMUV-Archiv).<br />

200 Bolliger (1970), S. 202 und 203. Jost (1973), S. 144.<br />

201 "Berner Tagwacht" 19.8.1919.<br />

202 LVB 6.9.1919.<br />

203 Schreiben vom 27.8.1919.<br />

Die Geschäftsleitung der SPS untersuchte den Fall und bot Oberholzer Ende <strong>1920</strong> ins Berner Volkshaus vor eine<br />

Untersuchungskommission auf. Oberholzer wohnte zu diesem Zeitpunkt bereits in Basel und liess schriftlich<br />

verlauten, wegen "Kalbereien" reise er nicht herum (Archiv der SPS im Sozialarchiv).<br />

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