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DER LUZERNER UNTERGRUND 1850-1920 - Terminus Textkorrektur

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eligiöse Erziehung, die Erziehung überhaupt nur in der religiösen Einheitsschule. Nur im<br />

festen Rahmen der Konfession kann der Charakter des Kindes emporwachsen." 274<br />

Die bereits zitierten Aufzeichnungen von Regens Keller lassen vermuten, dass der<br />

Religionsunterricht im Untergrund in der Vermittlung traditioneller "Unterschichtstugenden"<br />

spezifisch auf die Arbeiterbevölkerung zugeschnitten war.<br />

8. Strukturelle Diskriminierung des Untergrunds im Bildungsbereich<br />

Obwohl der Untergrund schon früh stark bevölkert war und viele Kinder im Quartier wohnten<br />

(gesamtstädtisch betrug der Anteil Jugendlicher bis 15 Jahre 25% der Bevölkerung), bestand<br />

bis 1911 keine Schule im Quartier. Die SchülerInnen besuchten den Unterricht in den<br />

Schulhäusern im Stadtzentrum. Im Obergrund waren bereits 1898 und 1904 zwei Schulhäuser<br />

gebaut worden; das Maihofquartier erhielt 1906 eine eigene Unterrichtsstätte. Erst als der<br />

Mangel an Klassenzimmern wegen der steigenden Schülerzahlen im ersten Jahrzehnt des<br />

20. Jh. akut wurde (1900: 2'636 SchülerInnen; 1910: 4'626), drängte sich für den Stadtrat die<br />

Errichtung eines Schulhauses im Gebiet Untergrund/St. Karli gebieterisch auf. 275 Doch auch<br />

die Eröffnung des St.-Karli-Schulhauses beseitigte den Mangel an Klassenzimmern nicht<br />

ganz. Deshalb führte der Stadtrat 1911 gegen die Opposition der meisten LehrerInnen den<br />

alternierenden Unterricht an den 1. Primarklassen ein. Die durchschnittlich 64 SchülerInnen<br />

zählenden Klassen wurden in zwei Abteilungen geteilt. Dadurch halbierte sich die Anzahl<br />

Unterrichtsstunden pro SchülerIn. So konnten sechs Lehrer und sechs Schulzimmer pro Jahr<br />

eingespart werden. Der Stadtrat begründete seinen Entscheid zur Einführung des<br />

alternierenden Unterrichts auch mit hygienischen Überlegungen. 276<br />

Die SP lehnte den alternierenden Unterricht als Diskriminierung der sozial Benachteiligten<br />

ab. 1913 orientierte Ernst Nobs, damals Redaktor beim "Centralschweizerischen<br />

Demokraten", im Kreisverein Moos über die neue Unterrichtsform. Er gab zu bedenken, dass<br />

unter der reduzierten Klassenzeit v.a. Arbeiterkinder, die in der Regel weniger Schuljahre<br />

absolvierten als Kinder aus besser situierten Familien, litten. 277 Besonders in Krisenzeiten<br />

traten Arbeiterkinder früher ins Berufsleben ein als Kinder bürgerlicher Herkunft. In der<br />

Wirtschaftskrise Anfang der 20er Jahre (Schuljahr <strong>1920</strong>/21) verliessen z.B. 90 Schüler im<br />

Alter von 14 Jahren, die unter normalen Umständen die Schule weiterbesucht hätten, den<br />

Unterricht, um Geld zu verdienen. Der Vermutung eines sozialdemokratischen<br />

Schulpflegemitglieds, die Schulbehörden bildeten mit Absicht proletarische Klassen,<br />

widersprach der Rektor der städtischen Schulen heftig. 278<br />

274 L 1.3.1918.<br />

275 B.u.A. StR. 14.3.1912.<br />

276 Prot. der Schulpflege vom 7.5.<strong>1920</strong>.<br />

277 Prot. des Kreisvereins Moos vom 31.10.1913.<br />

278 Prot. der Schulpflege vom 23.12.1919.<br />

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