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DER LUZERNER UNTERGRUND 1850-1920 - Terminus Textkorrektur

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Mit der Gründung der Arbeiterunion 1901 als gemeinsames Forum der sozialdemokratischen<br />

Partei und des Gewerkschaftsbundes und eines Arbeitersekretariats 1905 schuf sich die<br />

Luzerner Arbeiterbewegung Koordinationsgefässe. 87 Die Fachvereine als Vertretung jeweils<br />

einer Berufsgruppe wurden zu Sektionen zusammengefasst. Im ersten Jahrzehnt des 20. Jh.<br />

nahm der Anteil der Arbeiterunion angeschlossener Gewerkschafter rapid zu (1901: 700 von<br />

ca. 2'000 Gewerkschaftsmitgliedern; 1907: 2'150 von ca. 3'000; siehe Anhang 47). Die<br />

Luzerner Fabrikarbeiter und -arbeiterinnen begannen sich parallel zum Wachstum der<br />

Industriebetriebe um die Jahrhundertwende gewerkschaftlich zu organisieren. Im Gegensatz<br />

zu den handwerklich-gewerblichen Berufsgruppen erreichten die Industriegewerkschaften erst<br />

relativ spät eine gewisse Stärke, weil die Fabrikindustrialisierung in Luzern mit provinzieller<br />

Verspätung eingesetzt hatte und generell eher schwach war. Dies hatte sozialpolitische<br />

Konsequenzen: So konnte z.B. der 10-Stunden-Tag in der Metallbranche und bei Schindler in<br />

Luzern erst 1907 durchgesetzt werden. 88<br />

Die lokalen Führer der Arbeiterbewegung beurteilten das Klassenbewusstsein der Luzerner<br />

Fabrikarbeiterschaft als mangelhaft. Der "Centralschweizerische Demokrat" diagnostizierte<br />

kleinbürgerliche und ländliche Anschauungen in der Denkweise der Fabrikarbeiterschaft<br />

erster Generation. 89 Arbeitersekretär Gottlieb Graf beanstandete, viele Mitglieder betrachteten<br />

die Gewerkschaften lediglich als Lohnerhöhungsinstrument bei guter Konjunktur, liessen sie<br />

aber in Krisenzeiten, wenn es gälte, Abwehrkämpfe zu führen, im Stich. 90<br />

Die hohe Fluktuation der Fabrikbelegschaften und deren Unerfahrenheit mit Fabrikarbeit<br />

hemmten die Ausbildung eines Klassenbewusstseins. Der überwiegende Teil der 1925 in die<br />

Viscose eintretenden Arbeiter und Arbeiterinnen z.B. hatte vorher nicht in einem<br />

Fabrikbetrieb gearbeitet. Zwei Drittel von ihnen traten vor Ablauf von drei Jahren wieder aus<br />

der Fabrik aus. 91 Die Mitgliederfluktuation der Metallarbeitersektion Luzern z.B. lag 1916 bei<br />

50% ihres Gesamtbestandes; 1917 übertrafen die Abgänge sogar den Mitgliederbestand von<br />

Anfang Jahr, wurden allerdings durch Neuzugänge mehr als wettgemacht (418 Abgänge, 612<br />

Zugänge). 92 Diese strukturelle Instabilität war einer kontinuierlichen Gewerkschaftspolitik<br />

abträglich.<br />

Die längerfristige Mitgliederentwicklung der Metallarbeitergewerkschaften lässt aber<br />

durchaus Fortschritte des Organisationsgedankens erkennen. Die Sektionen von Luzern und<br />

Emmenbrücke wiesen nach rasantem Zuwachs Anfang 20. Jh. 1907 zusammen 377<br />

Mitglieder auf. Der Beginn des Ersten Weltkriegs bewirkte einen Mitgliedereinbruch (1915<br />

noch 269). Gegen Kriegsende erfolgte ein sprunghafter Anstieg: Mit 1'126 Mitgliedern<br />

(Luzern 470, Kriens 238, Emmenbrücke 418) waren Anfang 1918 im Vergleich zum höchsten<br />

87 Schmid (1974), S. 50.<br />

88 "10 Jahre Gewerkschaftsarbeit Luzern-Emmenbrücke", S. 3-4.<br />

89 CD 12.1.1917.<br />

90 Jb. des sozialdemokratischen Arbeitersekretariats 1921, S. 4.<br />

91 Troxler (1992), S. 13 und 18.<br />

92 Jb. des SMUV.<br />

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