DER LUZERNER UNTERGRUND 1850-1920 - Terminus Textkorrektur
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Bauparzelle. Eine unter publicityträchtigem Motto - Bau einer "Friedenskirche" als Mahnmal<br />
angesichts der Schrecken der Oktoberrevolution - lancierte Geldsammlung brachte Ende 1917<br />
50'000 Franken ein. Vorderhand diente ein provisorisch hergerichteter Raum als Notkirche.<br />
1922 wurden der Untergrund und das locker überbaute St.-Karli-Gebiet rechts der Reuss zur<br />
selbständigen Pfarrei St. Karl aufgewertet. 230 Das Raumprovisorium endete erst 1934 mit der<br />
Vollendung der St.-Karli-Kirche, der ersten Betonkirche in der Innerschweiz.<br />
Hinter dem Ausbau der kirchlichen Infrastruktur im Untergrund stand nicht zuletzt die<br />
Absicht, einer allfälligen politischen Radikalisierung der Quartierbewohner die Spitze zu<br />
brechen. Der christlichsoziale Politiker Josef Anton Bruggmann231 etwa regte 1918 im<br />
Kirchenbauverein die Erstellung eines Beetsaals an mit dem Hinweis darauf,<br />
Arbeitsbeschaffung sei ein taugliches Instrument, um die Attraktivität v.a. bei der<br />
Quartierjugend verbreiteter sozialistischer und kommunistischer Ideen einzudämmen.<br />
"Unverzügliche" Schaffung religiöser Pfarreivereine wie Jünglings- und<br />
Jungfrauenkongregationen betrachtete der Kirchenbauverein als das geeignete Mittel, die<br />
"religiös, sittlich schwer gefährdete Jugend von den staats- und religionsfeindlichen<br />
Einflüssen gewisser bekannter Jugendorganisationen fernzuhalten". Als Versammlungsort<br />
sollte das provisorische Gottesdienstlokal dienen. 232 Weniger christlichsoziale Reformpolitik<br />
denn kulturkämpferischer religiöser Eifer stand beim ultramontanen jungkonservativen<br />
Kampfblatt "Luegisland" im Zentrum seines Engagements für eine Kirche. Indem es das<br />
segenspendende Verdienst paternalistisch-wohltätigen Wirkens unterstrich, enthüllte es dieses<br />
als Zeichen sozialer Klassentrennung: Die "Armen, Geplagten, Verhetzten" sollten, so der<br />
"Luegisland", durch das "hohe, edle religiös-soziale Werk" des Kirchenbaus, auf das sie seit<br />
Jahrzehnten ein "heiliges Anrecht" hätten, zum "beseeligenden Bewusstsein kommen, dass sie<br />
im Gotteshaus gleichberechtigt sind, und die warme Schönheit des heiligen Ortes muss ihnen<br />
Ersatz bieten für ihr oft so ödes, kaltes Heim". "Nicht selten vom Pesthauch der Sünde<br />
umgeben", bedürften die Arbeiterkinder im Untergrundquartier eines Gotteshauses umso<br />
dringlicher. In der sozialen Not erblickte das jungkonservative Blatt den Nährboden, auf dem<br />
materielle, von "Volksbeglückern" gestreute Selbstsucht gedieh. Dagegen forderte es<br />
Entsagung und Selbstzucht, traditionelle Postulate karitativer Sozialfürsorge. 233 Vom<br />
Kirchenbau erhoffte sich der "Luegisland" eine positive sozialhygienische Wirkung.<br />
"Eine Kirche im Arbeiterviertel bringt Sonntagsruhe und Festesfreude. Glocken klingen, festlich gekleidete<br />
Menschen strömen zum Gottesdienst, die Sonntagsschänder verkriechen sich, fühlen sich beschämt. Wo<br />
keine Kirche zum Himmel ragt, wo das traurige Einerlei der Mietkasernen keine Erinnerung an höhere Ideale<br />
wachruft ... Da tritt die Schändung des Sonntags frech an die Öffentlichkeit. Es wird Wäsche ausgehängt, es<br />
wird gescheuert und geputzt. Niemand fühlt einen Kontrast; wo keine Kirche, dort kein Sonntag - der<br />
Mensch vertiert." 234<br />
230 Steiner (1973), S. 93.<br />
231 Zentralpräsident der Christlichsozialen Krankenkasse der Schweiz, christlichsozialer Stadt- und Grossrat.<br />
232 "Zweckbestimmung" des Saalbaus St. Karli-Untergrund vom 24.3.1921 (Archiv der Katholischen<br />
Kirchgemeinde Luzern, Faszikel 23: St. Karli).<br />
233 L 2/15.5.1917 und 6/15.7.1917. Steiner (1992), S. 173.<br />
234 L 15.7.1919.<br />
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