DER LUZERNER UNTERGRUND 1850-1920 - Terminus Textkorrektur
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handwerklich-gewerblichen Beruf aufgeführt. Von diesen leisteten schätzungsweise 40%-<br />
50% Fabrikarbeit. Die sich zementierende, einseitige Erwerbsstruktur im Untergrund bestand<br />
auch nach dem Zweiten Weltkrieg noch (siehe Anhang 19: Sozialstruktur 1944).<br />
Ein Vergleich der 1910-<strong>1920</strong> im Untergrund sesshaften Steuerpflichtigen erlaubt beschränkte<br />
Aussagen zur beruflichen Mobilität. Die 237 identischen Personen in den Steuerregistern<br />
1910 und <strong>1920</strong> wiesen eine hohe Permanenz der Berufstätigkeit auf. Von den 70 sesshaften<br />
Fabrik- und Hilfsarbeitern, Taglöhnern, Bauamts- und Bahnarbeitern waren <strong>1920</strong> noch 57 in<br />
einem dieser Berufe tätig. Die restlichen 13 wechselten in einen anderen Beruf des 2. Sektors.<br />
Von den 83 Erwerbstätigen, die 1910 mit einem spezifischen handwerklich-gewerblichen<br />
Beruf verzeichnet sind, übten <strong>1920</strong> noch 55 die gleiche Beschäftigung aus. Die restlichen<br />
arbeiteten neu zu einem Drittel als Hilfs- oder Fabrikarbeiter, von den übrigen wiesen vier<br />
neu den Meistertitel auf. Die restlichen 67 sesshaften Steuerpflichtigen blieben ihrem Beruf<br />
ebenfalls grossteils verhaftet (u.a. 23 Händler/Kaufleute, fünf Wirte, sechs Private, acht<br />
Tram-, Bahn- und Schiffahrtsangestellte). Berufliche Statusverbesserungen kamen selten vor.<br />
Die soziale Mobilität im Quartier war gering. Für die Zuzüger, die vorwiegend prestigearme<br />
und schlechtbezahlte Lohnarbeit verrichteten, gilt dies umso mehr. Die sozialräumliche<br />
Segregation dürfte den beruflichen Aufstieg zusätzlich gehemmt haben. Für das Münchner<br />
Westend stellt Bleek fest: "Die vorherrschende Berufskarriere von Angehörigen der<br />
Unterschicht bestand im Verharren auf der vorgegebenen Position im Schichtgefüge." 60<br />
Auch auffällige materielle Statusverbesserungen sind bei den Bewohnern des<br />
Untergrundquartiers kaum zu verzeichnen. Zwei Ausnahmen bestätigen die Regel: Das<br />
Vermögen des Bankabwarts Alois Fischer verzehnfachte sich 1891-1902 von 1'000 auf<br />
10'000 Franken, stieg bis 1908 weiter auf 26'700 Franken an, worauf es sich bis <strong>1920</strong><br />
nochmals verdoppelte. Fürsprech Allgäuer-Haas, einer der reichsten Quartierbewohner<br />
überhaupt, verdoppelte sein Vermögen 1902-1908 beinahe (von 77'500 Franken auf 145'000<br />
Franken).<br />
1860 gehörte Luzern zu den am schwächsten industrialisierten Kantonen der Schweiz. In der<br />
Stadt Luzern fanden nur gerade 200, kantonal 500 Arbeiter und Arbeiterinnen ihr<br />
Auskommen in Fabriken. 61 Ab den 70er Jahren des 19. Jh. beschleunigte sich der<br />
Ablösungsprozess des gewerblichen Verlagssystems und des Handwerks durch<br />
Industriebetriebe. 1907 betrug die Zahl der Beschäftigten in Fabriken des Kantons Luzern<br />
bereits 7'175 (zur Anzahl Fabrikarbeiter siehe Anhang 12 und 14). 62 Die räumlichen<br />
Schwerpunkte der Fabrikindustrie lagen in den grösseren Ortschaften der Region Luzern, v.a.<br />
Emmen und Kriens. Von den Anfang 1918 dem Fabrikgesetz unterstellten 216 Betrieben<br />
entfielen auf die einzelnen Ämter: Luzern-Stadt 42,6% (92 Betriebe), Luzern-Land 13,9%,<br />
Hochdorf 13,4%, Sursee 13,4%, Willisau 10,2% und Entlebuch 6,5%. 63 Die städtische<br />
60 Bleek (1991), S. 219.<br />
61 Huber (1986), S. 26. Jäger (1986), S. 62.<br />
62 Jäger (1986), S. 62.<br />
63 Staatsverwaltungsbericht 1918/19, S. 152.<br />
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