DER LUZERNER UNTERGRUND 1850-1920 - Terminus Textkorrektur
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Der 1905 gegründete Kreisverein Untergrund galt als radikaler Bodensatz der Partei: "Nicht<br />
selten standen die Genossen des Untergrunds auch intern zu den Bestrebungen und<br />
Auffassungen der 'Häupter' in schärfstem Gegensatz." 207 Zur sozialräumlichen, radikale<br />
politische Positionen fördernden Segregation des Untergrunds allgemein gesellte sich die<br />
Absenz jeglicher Parteiprominenz im Quartier. Diese wohnte mehrheitlich in den Quartieren<br />
Moos und Obergrund, wo das eher gemässigte Verkehrspersonal den Ton angab. 208<br />
In der 2. Hälfte des Jahres 1919 wurden die Galionsfiguren der Linkssozialisten in der SP<br />
entmachtet. Linkssozialist Otto Volkart, seit Mai 1919 Lokalredaktor des<br />
"Centralschweizerischen Demokraten", wurde Mitte September von der Generalversammlung<br />
der sozialdemokratischen Presseunion mit Zweidrittelsmehrheit wegen "fortgesetzten<br />
Missbrauchs des Parteiorgans zu unqualifizierbaren und unbegründeten persönlichen<br />
Angriffen und Insulten gegen einzelne für Partei und Presse seit Jahren tätige Parteigenossen"<br />
abgesetzt. Nicht nur Volkarts Antiparlamentarismus, auch seine prononciert antireligiöse<br />
Haltung war den gemässigten Führern der Arbeiterbewegung ein Dorn im Auge. 209 Zudem<br />
hatte die Zusammenarbeit zwischen Volkart und dem Oltner Hauptredaktor Jacques Schmid,<br />
einem ausgesprochenen Realpolitiker, nicht geklappt. Volkart bezichtigte Schmid der Zensur<br />
seiner Artikel zur 3. Internationale, umgekehrt beschuldigte Schmid Volkart, er habe die<br />
Luzerner Wahlen journalistisch sabotiert. 210 Schliesslich brach eine regelrechte<br />
Schlammschlacht aus: Gemässigte Sozialdemokraten denunzierten Volkart und Oberholzer<br />
als "bolschewistische Terroristen", welche die legitime Parteiführung verdrängt hätten.<br />
Oberholzer wurde insbesondere ein luxuriöser Lebensstil, eine zwielichtige, mit<br />
Gerichtsprozessen bezüglich Alimentenverweigerung belastete Vergangenheit sowie seine<br />
Beliebtheit in Arbeiterkreisen des Untergrunds vorgeworfen.<br />
"Er (Oberholzer, d.V.) ist der gestrandete Stehkragenprolet, dem die Intrige im Blute liegt, der radikale<br />
Salon-Kommunist in Lackschuhen und elegantem schwarzem Gehrock, der mittags den Kaffee in<br />
fashionablen Restaurants schlürft, der heute sich bei der Halbwelt des Kursaals amüsiert und morgen in<br />
geheimen Konventikeln urteilslose Unterstadtproletarier gegen die Parteiführung verhetzt ... " 211<br />
Als Oberholzer eine Boykottaktion gegen den "Centralschweizerischen Demokraten" startete<br />
und Abos für das "Volksrecht" sammelte, platzte den Gemässigten der Kragen: "Aber jetzt ist<br />
genug! Von heute ab steht der 'Demokrat' im offenen Kampf mit Ihnen. Rücksichtslos, wie<br />
Sie es verdienen, werden wir Ihnen Ihre Heuchlermaske vom Gesichte reissen. Wir werden<br />
auch nicht rasten, bis Ihr schädlicher Einfluss in Partei und Presse beseitigt ist." 212 Da die<br />
207 40 Jahre Kreisverein Untergrund, in: FI 5.11.1945.<br />
208 CD 16.9.1919.<br />
209 LT 214/11.9.1919 und 226/25.9.1919. Auf die antireligiöse Haltung Volkarts als Motiv für seine<br />
Abberufung verweist v.a. die grütlianische "Luzerner Volksstimme" vom 27.9.1919.<br />
210 CD 24.4.1919, 8.8.1919 und 13.8.1919. Die Linkssozialisten hatten sich etwa im April gegen die Teilnahme<br />
an den Grossratswahlen ausgesprochen und Kandidaturen aus den eigenen Reihen verweigert. In seiner<br />
Ansprache zum Ersten Mai hatte Volkart den bürgerlichen Parlamentarismus attackiert<br />
211 CD 16.9.1919.<br />
212 CD 18.10.1919.<br />
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