DER LUZERNER UNTERGRUND 1850-1920 - Terminus Textkorrektur
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Die hierarchische Staffelung der sozialen Gruppen mit der Quartierbevölkerung des<br />
Untergrunds am unteren Ende der Einkommensskala wird deutlich. Einschränkend ist zu<br />
bemerken, dass die Einkommensstreuung innerhalb der Stadtratsfraktionen hoch war: in der<br />
SP verfügte ein Ratsmitglied <strong>1920</strong> mit 18'000 Franken allein über ein Viertel des<br />
Einkommens aller sozialdemokratischen Grossstadträte.<br />
6.3. Politischer Kurs der Luzerner SP<br />
Pragmatismus bestimmte den politischen Kurs der Luzerner SP, obwohl sie sich mit der Wahl<br />
eines progressiven Parteivorstandes und der Abspaltung der Grütlianer im Ersten Weltkrieg<br />
etwas radikalisiert hatte. 177 Die Luzerner SP-Sektion nahm innerhalb der Landespartei im<br />
allgemeinen eine vermittelnde Haltung ein, was etwa bei der Debatte über die<br />
Landesverteidigung zum Ausdruck kam. Die Luzerner SP setzte das Thema erst auf<br />
wiederholtes Drängen der Jungsozialisten überhaupt auf die Traktandenliste und unterstützte<br />
schliesslich den gemässigten Oltner Kompromissantrag von Jacques Schmid, der auf eine<br />
Sistierung der parteiinternen Debatte bis nach dem Krieg abzielte. Am schweizerischen<br />
Parteitag vom 9./10. Juni 1917 setzte sich aber die Linke klar durch: die Landesverteidigung<br />
wurde mit 222:77 Stimmen abgelehnt. Ein Antrag des Luzerner Kreisvereins Zürichstrasse<br />
auf eine "Demokratisierung des Heeres" gelangte gar nicht zur Diskussion. 178<br />
Bot sich die Möglichkeit, übernahmen Luzerner Sozialdemokraten Behördenfunktionen.<br />
Parallel zu ihrem Wachstum im Jahrzehnt 1910 bis <strong>1920</strong> - und auch zur Radikalisierung im<br />
Ersten Weltkrieg - integrierte sich die SP stärker in das politische System. Vor 1910 war noch<br />
kein SP-Vertreter ins Präsidium des Stadtrates gelangt oder bloss zum<br />
Kommissionsreferenten gewählt worden. 1915 wurde dem Sozialdemokraten Josef Albisser<br />
im Zuge der Revision der Gemeindeordnung, die in einer Klausel eine angemessene<br />
Vertretung der Minderheiten festschrieb, das neugeschaffene Vormundschaftsdepartement<br />
übertragen. <strong>1920</strong>/21 amtierte mit Josef Steiner179 erstmals ein SP-Mann als Präsident des<br />
Grossen Stadtrates. Die Zusammenarbeit der Parteien im Rat bewertete er als "erspriesslich".<br />
Dass 1926 erstmals ein Sozialdemokrat zum Präsidenten einer Kommission des Grossen<br />
Stadtrates gewählt wurde, löste in rechtsbürgerlichen Kreisen (z.B. Jungkonservative) aber<br />
immer noch heftige Proteste aus. 180<br />
<strong>1920</strong> stimmte die SP mehrheitlich einer Aufstockung des städtischen Polizeikorps um 16<br />
Mann mit dem Argument zu, damit würden für eine Angestelltenkategorie bessere<br />
Arbeitsbedingungen geschaffen. Nur vereinzelt hatten sich Genossen, welche die Polizei als<br />
177 Schelbert (1985), S. 32ff.<br />
178 CD 5.2.1917, 20.4.1917, 23.4.1917 und 11.6.1917. Etter (1972), S. 30.<br />
179 Josef Steiner, auch Grossrat und Präsident der sozialdemokratischen Presseunion, praktizierender Katholik.<br />
180 AB 11.7.1921; VS 17.3.1923. L 8.2.1926.<br />
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