DER LUZERNER UNTERGRUND 1850-1920 - Terminus Textkorrektur
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Lausanne und Herisau in Kraft war. 57 Zudem untersagte die Arbeitsordnung - ebenfalls ein<br />
Luzerner Sonderfall - ausdrücklich Streikhandlungen: "Kollektive Arbeitseinstellung ohne<br />
Einhaltung der Kündigungsfrist berechtigt den Stadtrat, alle am Ausstand Beteiligten sofort<br />
und ohne Entschädigung zu entlassen." 58 Dass die Gewerkschaftssektion der<br />
Gemeindearbeiter Ende 1918 nur 39 Mitglieder zählte, kann in diesem Zusammenhang<br />
gesehen werden. 59 In liberalen Berufen Tätige und Beamte generell wohnten 1910 weniger im<br />
Untergrund als noch 1891. Der Handelssektor (unter 15%) und der Verkehrssektor blieben<br />
ebenfalls unter dem städtischen Durchschnitt. Schliesslich stagnierte auch der Anteil Rentner<br />
(Private), in Luzern eine sehr vermögliche Kategorie, im Untergrund unter 5% (zum<br />
Vergleich der städtischen Erwerbsstruktur mit jener an der Basel- und Bernstrasse und jener<br />
im Hofquartier 1910 vgl. Anhang 13, 17 und 18).<br />
Um 1890 prägten noch gewerbliche Zwergbetriebe den Untergrund. Zwischen 1890 und 1910<br />
verschob sich die Berufsstruktur innerhalb des 2. Sektors an der Basel- und Bernstrasse<br />
massiv. Die Bandbreite der gewerblich-industriellen Berufe verengte sich. Das Steuerregister<br />
1910 verzeichnet 96 "Hilfsarbeiter" und "Taglöhner" sowie 41 "Arbeiter" und<br />
"Arbeiterinnen" (zusammen knapp ein Viertel aller Zensiten). Die meisten von ihnen<br />
arbeiteten 1910 in Fabrikbetrieben. Das bedeutete für eine wachsende Zahl von<br />
Lohnabhängigen eine Angleichung der Arbeitsbedingungen, eine wichtige Voraussetzung, die<br />
individuelle soziale Situation als Klassenlage zu begreifen. Der effektive Anteil von<br />
Fabrikarbeitern an den Erwerbstätigen muss geschätzt werden. Da "Giesser", "Schlosser" etc.<br />
ihr Auskommen ebenfalls vornehmlich in Industriebetrieben fanden, dürfte der Anteil<br />
Fabrikarbeiter 1910 einiges über 25% gelegen haben, zumal zusätzlich ein Teil der nicht im<br />
Steuerregister ausgewiesenen italienischen Saisonniers in Fabriken tätig war.<br />
Der Wandel vom Kleingewerbe- und Handwerkerviertel zum Arbeiterquartier vollzog sich<br />
ausgerechnet im konjunkturellen Wachstumsschub der Belle Epoque. Auf den Untergrund<br />
fielen in diesem Prozess v.a. die Schlagschatten der gesellschaftlichen Modernisierung, etwa<br />
in Form der Verstärkung seines Unterschichtcharakters (siehe Kap. 5.).<br />
Die Dominanz des 2. Sektors und spezifisch der Fabrikarbeit akzentuierte sich, gefördert<br />
durch den kriegsindustriellen Boom, 1910-<strong>1920</strong> an der Bern- und Baselstrasse weiter. An der<br />
Bernstrasse arbeiteten <strong>1920</strong> 80% der Beschäftigten in Industrie und Gewerbe, geringfügig<br />
mehr als an der Baselstrasse. Da das Steuerregister von <strong>1920</strong> auch die Jahresaufenthalter<br />
verzeichnet, widerspiegelt es die Erwerbsstruktur getreuer als das Steuerregister von 1910.<br />
<strong>1920</strong> lebten an der Baselstrasse und Bernstrasse 393 HilfsarbeiterInnen, Taglöhner und<br />
(Fabrik-)ArbeiterInnen (43,5% der Steuerpflichtigen). Die 73 Frauen unter ihnen stellten<br />
wohl nurmehr einen kleinen Teil der gegen Kriegsende in den Fabriken beschäftigten<br />
Arbeiterinnen dar. 295 Personen sind im Steuerregister <strong>1920</strong> mit einem spezifischen<br />
57 Guggenbühl (<strong>1920</strong>), S. 41.<br />
58 Guggenbühl (<strong>1920</strong>), S. 237.<br />
59 Guggenbühl (<strong>1920</strong>), S. 227.<br />
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