DER LUZERNER UNTERGRUND 1850-1920 - Terminus Textkorrektur
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Luzerner Behörden Oberholzer an der Berufsausübung behinderten (sein Anwaltspatent<br />
wurde nicht anerkannt), waren seine Perspektiven in Luzern endgültig ruiniert. <strong>1920</strong> zog er<br />
nach Basel. 213 Auch die christlichsoziale Presse stigmatisierte Oberholzer in einer<br />
dämonisierenden Karikatur als revolutionären Brandstifter (siehe Anhang 65).<br />
Auf den 6. November 1919 berief die Vertrauensmännerversammlung der SP eine<br />
ausserordentliche städtische Parteiversammlung ein, um die immer noch bestehende<br />
linkssozialistische Mehrheit im städtischen Parteivorstand zu stürzen. Dies gelang: Alle<br />
Linkssozialisten wurden aus dem Vorstand gekippt und durch Gegner der 3. Internationale<br />
ersetzt. Ruhe sei in der SP dank der Absetzung der "bolschewistischen Machthaber"<br />
eingekehrt, kommentierte das christlichsoziale "Luzerner Volksblatt". 214<br />
Am 5./6. März 1921 vereinigten sich Linkssozialisten und Altkommunisten zur<br />
kommunistischen Partei der Schweiz. In Luzern wurde am 29.3.1921 im Restaurant<br />
Kreuzstutz im Untergrund die Luzerner Lokalsektion - die erste kommunistische<br />
Lokalsektion der Schweiz überhaupt - offiziell gegründet. 215 Der SP-Kreisverein Untergrund<br />
war von der Spaltung am stärksten betroffen. Das "Zentralschweizerische Arbeiterblatt"<br />
kommentierte den Abgang der Parteilinken sogar mit Erleichterung. Die Spaltung stärke die<br />
SP, zumal dadurch wieder vermehrt ältere Genossen an den Parteiversammlungen<br />
teilnähmen. 216 Der Kreisverein Moos hatte lediglich drei "linkssozialistisch" begründete<br />
Austritte zu verzeichnen; karrierepolitische und religiöse Motive - das Kreisvereinsprotokoll<br />
spricht ironisch von "wiedergefundenem Heil in der römischen Sammelhalle" - führten im<br />
Kreisverein Moos zu mehr Austritten als die Parteispaltung.<br />
Der Mitgliederbestand der kommunistischen Partei stagnierte jahrelang bei 50-60<br />
Personen. 217 Ihr Wähleranteil lag im Gebiet Bruch/Untergrund mit 2,7% doppelt so hoch wie<br />
in den übrigen Urnenkreisen. Die erste von der KPS offiziell herausgegebene Broschüre war<br />
die vom Autodidakten Klemenz Ulrich während seiner Haftzeit im Luzerner Zentralgefängnis<br />
verfasste Schrift "Ist die soziale Revolution auch in der Schweiz notwendig" (1919), ein<br />
utopistisches, von der kommunistischen Rätedemokratie beeinflusstes Manifest für einen<br />
gewaltfreien Umsturz, das die Proletarisierung von Teilen des Mittelstandes im Ersten<br />
Weltkrieg beschreibt. Die Luzerner Kommunisten versammelten sich gewöhnlich im<br />
Untergrund - v.a. in den Restaurants "Eisenbahn" und "Lädeli" - zu ihren Sitzungen. Im<br />
"Lädeli" hielt Jahre später auch Walter Ulbricht einen Vortrag. 218<br />
Die Behörden betrachteten die Luzerner Kommunisten als Gefahr für den Staat. Ein von 150<br />
Personen besuchter Vortrag von Moses Mandel im April <strong>1920</strong> über die ungarische<br />
213 "Neue Ordnung" 28.10.<strong>1920</strong>. "Kämpfer" 23.3.1921.<br />
214 LVB 15.11.1919.<br />
215 "Neue Ordnung" 28.10.<strong>1920</strong>. "Kämpfer" 23.3.1921.<br />
216 AB 28.1.1921.<br />
217 Ulrich (1973), S. 32.<br />
218 Ulrich (1973), S. 33.<br />
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