DER LUZERNER UNTERGRUND 1850-1920 - Terminus Textkorrektur
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Religionsunterrichtes von Subregens Keller. 261 In den "Kinderexerzitien" aus dem Jahr 1931<br />
findet sich die didaktische Vergegenwärtigung eines "Arbeitstages Jesu".<br />
"Der Knabe Jesu war sehr arbeitsam; sofort am Morgen begann er mit der Arbeit, holte der Mutter das<br />
Wasser am Brunnen, trug das Holz in die Küche, zerkleinerte es, jätete im Gärtchen draussen vor dem<br />
Haus. - Als er etwas grösser und stärker wurde, wurde er noch arbeitsamer ... Jesus war ein bescheidener,<br />
demütiger Arbeiter! Er wollte lernen ... Wenn auf dem Bauplatz die morgendliche Sonne glühte und<br />
Schweiss von seiner Stirne tropfte, wenn er mühsam unter der Last der Balken, die er trug, atmete, wenn<br />
seine zarten Gotteshände rauh und voll Striemen waren - der Knabe hält durch und harret aus bei der<br />
harten Arbeit. Arbeit ist keine Schande! Ist geadelt durch den Sohn Gottes, der schon als Knabe so<br />
schwer gearbeitet hat. Gott verabscheut den Faulenzer, den Nichtstuer, den Trägen. Liebe Kinder, werdet<br />
nur nie faul und träg. Ein Kind, das viel arbeitet, bleibt leichter brav und gut ... - Jesus endlich war ein<br />
gehorsamer Arbeiter, der nicht alles besser wissen wollte, obwohl er es viel besser wusste. Er war ja<br />
Gott! Er kannte die Kräfte der Elektrizität und der Wasser ... Er wusste genau, dass man später, im 20.<br />
Jh., nicht mehr so arbeiten würde; aber er war gehorsam."<br />
Für Franz Meier, Pfarrer von Emmen, bedeutete (Gottes-)Furcht die Voraussetzung zur<br />
Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Ordnung. In seinem Traktat "Religion und Politik<br />
(1927) schreibt er: "Mit dem Gottesglauben fällt selbstverständlich auch die Gottesfurcht, die<br />
seit Jahrtausenden als der Anfang der Weisheit betrachtet wurde. Mit dem Unglauben im<br />
Volke muss die sittliche Anarchie kommen." 262<br />
7.3. Die Haltung der freien Arbeiterbewegung zu Religionsunterricht und Kirche<br />
Welche Haltung nahm die Arbeiterbewegung zu Religion und Kirche ein? Das "Arbeiterblatt"<br />
publizierte zwar bisweilen scharfe antiklerikale Artikel, die in der bürgerlichen Presse<br />
geharnischte Gegenreaktionen auslösten; insgesamt kamen aber kirchliche und religiöse<br />
Themen in der Luzerner Arbeiterpresse eher marginal zur Sprache. Sie betonte die<br />
konfessionelle Neutralität der SP und den privaten Charakter von Glaubensüberzeugungen.<br />
Der religiös-soziale Flügel hatte in der Luzerner SP Tradition, eine Minderheit der führenden<br />
Parteigenossen ging sogar zur Kirche.<br />
Im zeitlichen Umfeld des Landes-Generalstreiks gerieten allerdings Kirche und<br />
Arbeiterbewegung vermehrt aneinander. Religiöse Themen gewannen auch innerhalb der<br />
Luzerner Arbeiterbewegung im Zusammenhang mit der Parteispaltung an Brisanz.<br />
Jacques Schmid publizierte im Mai 1919 im "Centralschweizerischen Demokraten" unter dem<br />
Kürzel "Philos" eine vierteilige Artikelserie unter dem Titel "Arbeiter, wo gehörst Du<br />
hin?". 263 Im letzten Beitrag vertrat er die These, Sozialismus und Christentum widersprächen<br />
sich nicht grundsätzlich, der Atheismus einzelner Sozialisten sei nicht für den Sozialismus<br />
insgesamt repräsentativ. Gegen diese in Luzern mehrheitsfähige Position opponierte der<br />
261 Auch die Angst vor grassierendem Atheismus im Zuge der Oktoberrevolution ist in den geistlichen Notizen<br />
präsent:"Es ist furchtbar: in Russland - seit 1917 wurde einer Grosszahl von Kindern gelehrt, es gebe keinen<br />
Gott. Ganze Legionen Gottloser und Gottleugner in Russland. Selbst in der Schweiz: Gottlosenverbände und<br />
Gottlosenvereine!" (aus: "Exerzitienvorträge für ältere Kommunikanten" von Regens Keller).<br />
262 Meyer (1927), S. 35.<br />
263 CD 24.4.1919, 29.4.1919, 5.5.1919 und 8.5.1919.<br />
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