DER LUZERNER UNTERGRUND 1850-1920 - Terminus Textkorrektur
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Erziehungsrat seit 1890 zwar nicht mehr vorgeschrieben, blieb aber die Regel. Erst das<br />
Erziehungsgesetz von 1948 machte die Klerikalisierung des Erziehungswesens rückgängig. 269<br />
In der Sitzung der städtischen Schulpflege vom 6. Mai 1921 brachten die fünf<br />
sozialdemokratischen Mitglieder das Thema Religionsunterricht aufs Tapet. Um aufzuzeigen,<br />
dass er zur Verunglimpfung des Sozialismus und sozial Benachteiligter missbraucht werde,<br />
schilderten sie einige Vorkommnisse aus dem Unterricht. Ein Schüler, der sein Religionsbuch<br />
mit der Arbeiterzeitung eingebunden hatte, sei verwarnt worden. Aus Solidarität seien in der<br />
folgenden Stunde alle Schüler mit einem "Demokrat"-Einband erschienen. Ein Geistlicher<br />
habe im Religionsunterricht das Bettagsmandat vorgelesen und seinen Schülerinnen,<br />
14jährigen Mädchen, freie Liebe, Empfängnisverhütung sowie das Recht auf<br />
Schwangerschaftsabbruch als sozialistische Hauptforderungen präsentiert. Schliesslich habe<br />
ein Religionslehrer zu einem an der Baselstrasse wohnenden Mädchen gesagt: "Schämst Du<br />
Dich nicht, dort wohnen ja keine rechten Leute." Die sozialdemokratischen<br />
Schulpflegemitglieder beantragten der Versammlung, eine von der SP bereits lancierte<br />
Eingabe an die Schuldirektion, welche eine Untersuchung der Vorfälle verlangte, zu<br />
unterstützen. Sie stellten klar, die Eingabe richte sich nicht generell gegen den<br />
Religionsunterricht und bestehende Lehrplanvorschriften. Schulpflege-Präsident Zimmerli<br />
verneinte die Zuständigkeit der Schulpflege; eine Einmischung in den Religionsunterricht sei<br />
gesetzlich nicht möglich. Die Versammlung lehnte den sozialdemokratischen Antrag ab,<br />
beschloss aber, das Sitzungsprotokoll dem Erziehungsrat vorzulegen. 270 Ein halbes Jahr später<br />
kam Zimmerli auf die Angelegenheit zurück: Der Erziehungsrat sei bei den betreffenden<br />
Geistlichen vorstellig geworden; Stadtpfarrer Ambühl habe aber die Beschwerde als nicht<br />
begründet zurückgewiesen. 271<br />
Aufgrund der geschilderten Vorfälle attackierte das "Arbeiterblatt" den Religionsunterricht<br />
als ultramontanen, zu Urteilsunfähigkeit erziehenden Gesinnungsunterricht und forderte<br />
sozialdemokratische Eltern auf, ihre Kinder nicht mehr hinzuschicken. Die leicht<br />
beeinflussbaren Zöglinge seien psychisch völlig überfordert, denn sie würden zwischen<br />
Schule und sozialistischem Elternhaus hin und her gerissen. Bis in die Schulaufsätze hinein<br />
spiegle sich die antisozialistische Indoktrination, etwa wenn "Sozialismus" als Metapher für<br />
das Böse schlechthin verwendet werde. Laut "Arbeiterblatt" traten <strong>1920</strong> in einer Klasse 12<br />
von 15 Schülern tatsächlich aus dem Religionsunterricht aus. 272<br />
Das "Vaterland" proklamierte eine "natürliche Pflicht" des Priesters, vor moralischen<br />
Irrtümern aufzuklären. 273 Die Jungkonservativen propagierten sogar, in Opposition zur<br />
Bundesverfassung, die konfessionelle Einheitsschule: "Zu ihrem vollen Recht kommt die<br />
269 Hafner (1991), S. 67.<br />
270 Prot. der Schulpflege vom 6. Mai 1921.<br />
271 Prot. der Schulpflege vom 10. Nov. 1921.<br />
272 AB 16.4.1921.<br />
273 Die 14jährige Stadtjugend war der Geistlichkeit und dem "Vaterland" bereits zu stark aufgeklärt ("weiss<br />
bereits zuviel"); dem müsse die Spitze gebrochen werden (V 17.6.1921).<br />
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