DER LUZERNER UNTERGRUND 1850-1920 - Terminus Textkorrektur

"Parteigenossen! Ihr habt seit Monaten und Wochen die Freunde und Vertreter russischer und
ungarischer Diktaturmethoden auch auf dem Platz Luzern an der Arbeit gesehen, ... aber von
positiver fruchtbarer Betätigung habt ihr nichts von dieser Seite zu sehen bekommen." Dem
Artikel war eine Resolution von 41 führenden Luzerner Sozialdemokraten gegen die
3. Internationale beigefügt. 204 Zur "endlichen Abrechnung mit diesen Saboteuren" beriefen
die Gemässigten auf den 6. September 1919 eine Parteiversammlung ins Volkshaus ein, um
im Hinblick auf die bevorstehende Urabstimmung über den Beitritt zur 3. Internationale der
Neinparole zum Durchbruch zu verhelfen. Flugblätter verbreiteten Panikstimmung: "Wir
rufen Euch zur energischen Sammlung und zum Wiederaufbau der gefährdeten Positionen,
die sich die luzernische Arbeiterschaft in mühevollem jahrelangem Kampf errungen hat, auf."
An der Versammlung wurde ein Antrag Oberholzers, einen Kommunisten zum
Tagespräsidenten zu bestimmen, mit zwei Dritteln abgelehnt, worauf ein Tumult ausbrach;
die Versammlung musste abgebrochen werden. Die Gemässigten seien von den mit "Kind
und Kegel" aufmarschierten Kommunisten niedergebuht worden, hielt ein Polizeirapport
fest. 205
In der Urabstimmung unterlagen die Befürworter der 3. Internationale deutlich. Einzig die
Sektion Untergrund stimmte einem Beitritt zu. Auch gesamtschweizerisch wurde der Beitritt
mit 14'612:8'722 Stimmen verworfen.
Tab. 26: Urabstimmungsresultate 1919 in den SP-Kreisvereinen über den Beitritt
zur 3. Internationale
Untergrund Zürichstrasse Moos Obergrund Altstadt
Jastimmen 49 36 32 20 12
Neinstimmen 34 38 80 90 20
Stimmbeteiligung (%) 41 49 34 44 41
Quelle: Centralschweizerischer Demokrat 23.9.1919.
Ende Juli 1919 hatte Oberholzer im Kreisverein Moos über das neue schweizerische SP-
Parteiprogramm referiert. Die anwesenden Genossen begrüssten damals das radikale SP-
Programm einstimmig und verabschiedeten eine Resolution, die eine "Weltrevolution" und
den Anschluss an die 3. Internationale verlangte. Zudem sollten nur Anhänger der 3.
Internationale für die Nationalratswahlen nominiert werden. Diese Episode zeigt, dass
ideologische Positionen beim Luzerner Parteivolk nicht dogmatisch verankert waren, eher
eine spontane Wankelmütigkeit dominierte. Gemäss Versammlungsprotokoll herrschte
Anfang Oktober im Kreisverein Moos bereits wieder ein versöhnlicher Geist zwischen links
und rechts. 206
204 CD 4.9.1919.
205 Polizeirapport vom 7.9.1919 (STARL).
206 Prot. Kreisverein Moos 6.10.1919.
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