DER LUZERNER UNTERGRUND 1850-1920 - Terminus Textkorrektur
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Armenverein die Rückschaffung der betreffenden Personen in ihre Heimatgemeinde und den<br />
Entzug der Unterstützung vor. Eine spezifisch italienische Untugend erblickte der<br />
Quartierverein im Missbrauch des Armenarztes. 301<br />
1911 regte Fabrikant Ehrenberg die Abgabe spezieller Zirkulare an alle Hausbesitzer zur<br />
Registrierung von "Radaumachern" an. 302 "Radaumacher" hatten sich, auf der Flucht vor der<br />
Stadtpolizei, verschiedentlich auf Littauer Boden in Sicherheit bringen können. 303 Um den<br />
Bedürfnisnachweis für einen Polizeiposten an der oberen Bernstrasse zu erbringen, strebte der<br />
Quartierverein die Zuteilung der im Rönnimoos auf Littauer Boden gelegenen Schindler-<br />
Häuser an die Gemeinde Luzern an. Eine entsprechende Eingabe war allerdings bereits früher<br />
erfolglos gewesen. Von der Wohnkolonie Schindlers versprach sich der Quartierverein eine<br />
soziale Aufwertung der Strasse. 304 Seine Bemühungen, Schindler als Mitglied zu gewinnen,<br />
weil er "viel Gutes" tun könne, hatten keinen Erfolg. 305<br />
Im Schwarzbuch des Quartiervereins Bernstrasse waren 1902 88 "schlechte Familien"<br />
eingetragen. 306 Die vereinsinterne Praxis der Wohnungsvermietung trug einen xenophoben<br />
Stempel. Ende Januar 1907 verlangte ein Mitglied in der Versammlung des Quartiervereins<br />
Auskunft darüber, ob sich die Hauseigentümer verpflichtet hätten, die Italiener aus den<br />
Häusern zu entfernen, was der Präsident teilweise bejahte. 1912 beschloss der Quartierverein<br />
die Errichtung eines Wohnungsnachweisbüros, um schlecht beleumdete Personen von der<br />
Bernstrasse fernzuhalten. Die Hausbesitzer liessen von den Wohnungsinteressenten ein<br />
spezielles Formular ausfüllen und reichten es an den Quartierwachtmeister weiter, der<br />
polizeiliche Abklärungen vornahm. Im ersten Monat seines Bestehens vermietete das<br />
Wohnungsnachweisbüro sieben Unterkünfte an "hiesige unbescholtene Leute". 307 Gemäss<br />
Steuerregister wohnten <strong>1920</strong> nur in drei Häusern von Quartiervereinsmitgliedern Italiener<br />
(allerdings ohne Berücksichtigung der Saisonniers). Allein zehn von ihnen bei insgesamt<br />
sechzehn wohnten im Haus von Bernaschina. Total verzeichnet das Steuerregister <strong>1920</strong> aber<br />
84 Zensiten mit italienischem (z.T. wohl tessinischem) Namen (18% der Steuerzahler der<br />
Bernstrasse). Die Italiener wohnten zwar nicht mehr in Baracken wie noch in den 90er Jahren,<br />
sie konzentrierten sich aber in einzelnen Häusern und lebten somit auch in einer gewissen<br />
Isolation von der einheimischen Bevölkerung.<br />
301 Prot. Quartierverein Bernstrasse 21.12.1908.<br />
302 Prot. Quartierverein Bernstrasse 9.10.1911.<br />
303 Prot. Quartierverein Bernstrasse 11.4.1912.<br />
304 Prot. Quartierverein Bernstrasse 15.2.1909.<br />
305 Prot. Quartierverein Bernstrasse 15.11.1908.<br />
306 Prot. Quartierverein Bernstrasse 5.3.1902.<br />
307 Prot. Quartierverein Bernstrasse 8.8.1912.<br />
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