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DER LUZERNER UNTERGRUND 1850-1920 - Terminus Textkorrektur

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Nicht nur das Streik- und Organisationsverhalten der Italiener war innerhalb der<br />

Arbeiterbewegung umstritten; oft wurden sie auch als Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt<br />

empfunden. In den Versammlungen des SP-Kreisvereins Moos beklagten einheimische<br />

Genossen verschiedentlich, hiesige (sozialdemokratische) Arbeiter würden durch Italiener<br />

oder Christlichsoziale ersetzt. 191<br />

Dass die Bauarbeiter radikaler waren als die übrigen Gewerkschaften - der "Kämpfer"<br />

bezeichnete sie als den revolutionärsten Teil der Arbeiterbewegung -, wird auch im<br />

Zusammenhang mit der Spaltung der Arbeiterbewegung nach dem Ersten Weltkrieg deutlich:<br />

Einzig die Bauarbeiter traten 1922 aus der Arbeiterunion aus, um gegen die Nichtaufnahme<br />

der kommunistischen Partei zu protestieren (1926 traten sie wieder bei). Die SP sicherte mit<br />

der Kaltstellung der Kommunisten ihren dominanten Einfluss in der Gewerkschaftsbewegung<br />

ab. Der "Kämpfer" beschuldigte die SP der "geistigen Knebelung" all jener, "die nicht zur<br />

alleinseligmachenden Politik der Sesselkleber schwören". 192<br />

Kommunistische und faschistische Veranstaltungen fanden meistens in Wirtschaften an der<br />

Baselstrasse statt. Laut Zeitungsberichten gehörten einer Anfang der 20er Jahre entstandenen<br />

faschistischen Gruppierung v.a. Geschäftsleute der Baselstrasse an. Auf faschistische<br />

Aktivitäten reagierten italienische Bauarbeiter bisweilen mit Protestveranstaltungen. Auch die<br />

Polizeirapporte aus der Zeit des Ersten Weltkriegs lokalisieren (italienische) Anarchisten oft<br />

im Untergrund.<br />

Mitte Februar 1918 fand unter der Leitung von Klemenz Ulrich193 die konstituierende Sitzung<br />

der Luzerner Soldatenorganisation statt. Ulrich hatte die Initiative dazu ergriffen, weil er<br />

unzufrieden war über das Ausbleiben konkreter Aktivitäten der SPS gegen das Militär in einer<br />

Situation sich ständig verschärfender Klassenspannung. 62 Personen erschienen zur<br />

Gründungsversammlung, 37 von ihnen wohnten in der Stadt, wovon wiederum 11 im<br />

Untergrund, also fast ein Drittel. Die überproportionale Vertretung des Untergrunds ist,<br />

ebenso wie die Berufe der Teilnehmer, aussagekräftig. Mit Ausnahme des linksradikalen<br />

Anwalts Ernst Oberholzer rekrutierten sich alle Anwesenden aus Fabrik- und<br />

Bauarbeiterkreisen. Die meisten waren gewerkschaftlich organisiert oder SP-Mitglieder. 194<br />

Die Luzerner Soldatenorganisation verabschiedete ein radikales Programm, das sich an der<br />

Zürcher Soldatenorganisation des Altkommunisten Jakob (Joggi) Herzog195 - ein politischer<br />

Gefährte Ulrichs - und an der Leninschen Konzeption der sowjetischen "Roten Garden" als<br />

bewaffneter Avantgarde und Schutztruppe des Proletariats orientierte. In einem<br />

191 Z.B. Prot. Kreisverein Moos 31.10.1913.<br />

192 "Kämpfer" 23.4.1926.<br />

193 Klemenz Ulrich (1897-1985), Arbeiterkind, als 12jähriger bereits erwerbstätig, im Ersten Weltkrieg<br />

Viscosearbeiter und Gewerkschaftsaktivist in Emmenbrücke, führende Figur bei der Gründung der<br />

Kommunistischen Partei Luzerns.<br />

194 Die Schilderung beruht auf den Militärjustizakten im Bundesarchiv (98/1688).<br />

195 Jakob Herzog (1892-1931), Rivale Münzenbergs, Gründer der radikalen Jugendgruppe "Forderung" (Jost,<br />

1973, S. 64 und 124ff.).<br />

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