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DER LUZERNER UNTERGRUND 1850-1920 - Terminus Textkorrektur

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Enzyklika "Humanum genus" von 1884 - auf Beschluss des schweizerischen Katholikentages<br />

in Basel 1887. 313 Sie fungierten nicht ausschliesslich als Arbeitervereine; eher waren sie ein<br />

katholisches Pendant zu den links-liberalen Grütlivereinen. Förderung der Religiosität unter<br />

den Mitgliedern stand im Zentrum der Vereinsaktivitäten. Ausdrücklich der Arbeiterschaft<br />

vorbehaltene Arbeitervereine entstanden ab 1899 auf Initiative des späteren Kanonikus Jung<br />

in St. Gallen, der einer Zusammenarbeit mit sozialdemokratischen Organisationen skeptisch<br />

gegenüberstand. Nach dem endgültigen Bruch zwischen christlichsozialen und sozialistischen<br />

Gewerkschaften ob der Frage der konfessionellen Neutralität am Arbeitertag in Luzern 1904<br />

breiteten sich christliche Gewerkschaften und Arbeitervereine von der Ostschweiz her bis<br />

1914 über weite Gebiete der Schweiz aus. Die Mitgliederzahl der katholischen<br />

Arbeitervereine stieg von ca. 1'000 Mitgliedern 1903 auf 10'000 im Jahr 1913; die<br />

Arbeiterinnenvereine hatten noch mehr Mitglieder. 314 Ihr sozialreformerisches Programm<br />

lehnte sich an die Enzyklika "Rerum novarum" (1891) Leos XIII. an, welche die<br />

Arbeiterfrage im Kontext der modernen Industriegesellschaft behandelte.<br />

In Luzern gründeten der Theologe Albert Meyenberg315 und Kanonikus Jung im Mai 1904<br />

den ersten Luzerner Arbeiterverein neuen Typs. Die statutarisch festgeschriebene Vertretung<br />

von Arbeiterinteressen beinhaltete neben der Durchführung sozialer Kurse und<br />

vierteljährlicher Generalkommunionen die Vermittlung spezifischer Standestugenden wie<br />

Ehrlichkeit, Sparsamkeit und Arbeitsamkeit. Der ebenfalls 1904 gegründete Luzerner<br />

Arbeiterinnenverein entfaltete reges sozialpolitisches Engagement. Die mit einer Frau<br />

ergänzte geistliche Vereinsleitung führte 1905/1906 Enquêten über die Dienstverhältnisse der<br />

Luzerner Ladentöchter durch, die 1913 in ein neues Ruhetagsgesetz mit Sonntagsladenschluss<br />

für Ladentöchter mündeten. Praxisbezogene Vereinsaktivitäten wie Krankenpflege-, Kochund<br />

Bügelkurse ergänzten religiöse Erbauungsübungen zur moralischen "Veredelung" der<br />

Arbeiterinnen durch Tugenden wie Gewissenhaftigkeit, Einfachheit und Zufriedenheit. Die<br />

katholische Kirche führte in Luzern zwei Wohnheime für Arbeiterinnen, Ladentöchter und<br />

Bürofräulein sowie ein Jünglingsheim und ein Gesellenhaus. 316<br />

Ende 1918 waren im Kanton Luzern etwa 1'200 Personen in Arbeiter- und<br />

Arbeiterinnenvereinen organisiert (800 Frauen, 400 Männer), Ende 1919 knapp 1'500 (535<br />

Männer, 950 Frauen). Der städtische Arbeiterverein zählte Ende 1918 160 und Ende 1919<br />

200, der städtische Arbeiterinnenverein 400 Mitglieder. 317 Abgesehen von einigen<br />

Neugründungen auf der Landschaft verzeichneten die katholischen Arbeitervereine nach dem<br />

Landesstreik keinen nennenswerten Aufschwung.<br />

313 Ruffieux (1966), S. 373.<br />

314 Altermatt (1989), S. 155.<br />

315 Albert Meyenberg (1861-1934) war Professor am Priesterseminar Luzern 1890-1934, Mitarbeiter am<br />

"Vaterland" sowie Redaktor der "Schweizerischen Kirchenzeitung" 1900-1935 (Huber, Presse, S. 335).<br />

316 Konservativ Luzern 1871-1921, S. 139.<br />

317 LVB 8.3.1919 und 13.9.1919. ZVB 8/28.2.<strong>1920</strong>. Gesamtschweizerische Mitgliederzahl der katholischen<br />

Arbeitervereine: 1918 11'000 Mitglieder, <strong>1920</strong> Höhepunkt mit fast 14'500. Die Arbeiterinnenvereine waren<br />

stärker: über 15'000 Mitglieder 1913, 1918 fast 19'500, <strong>1920</strong> Höhepunkt mit über 21'000 (Kull, 1930, S. 40).<br />

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