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DER LUZERNER UNTERGRUND 1850-1920 - Terminus Textkorrektur

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Räterepublik veranlasste den Polizeispitzel zu folgender Einschätzung der kommunistischen<br />

Bewegung in Luzern.<br />

"Man hört oft das Schlagwort, ja die Luzerner Sozialisten und Kommunisten sind nicht so gefährlich, ihre<br />

Zahl ist zu klein. Es wird ja richtig sein, dass nicht auf dem Platze Luzern der erste Putsch versucht wird<br />

... Wenn man aber seit zwei Jahren die sozialistisch-kommunistische Presse verfolgt hat, wenn man die<br />

grosse Zahl von Versammlungen auch auf dem Platze Luzern in Betracht zieht, wo die ausserkantonalen<br />

extremsten Redner, darunter auch solche, die kaum das Schweizer Bürgerrecht erhalten haben, auftreten,<br />

wenn selbst Nationalräte wie Grimm und Schneider mit Wucht darauf hinarbeiten, dass sich die<br />

Arbeiterschaft mit Waffen versehe, ist das gewiss nicht nur zum Schein, sondern verlangt, auf der Hut zu<br />

sein." 219<br />

Besonders rege Aktivitäten enfalteten die Kommunisten in der Jugend- und Bildungsarbeit. 220<br />

Die sozialdemokratische Jugendorganisation war Anfang der 20er Jahre praktisch inexistent,<br />

die kommunistische blühte umso mehr, wie das "Arbeiterblatt" selbstkritisch konstatierte: "In<br />

einer Beziehung dürften sich die Parteigenossen an der Parteilinken und der kommunistischen<br />

Partei ein Vorbild nehmen, die für ihre Jugendorganisation ein reges Interesse zeigen und<br />

dieselbe nach Möglichkeit unterstützen." Bisweilen rief das "Arbeiterblatt" auch in den<br />

eigenen Reihen zu mehr Utopien neben der Pflege von Realpolitik auf. 221<br />

Das Verhältnis zwischen SP und KP prägten kommunistische Avancen zur Zusammenarbeit<br />

(Stichwort Einheitsfront) und sozialdemokratische Zurückhaltung. Im Kreisverein Moos<br />

beispielsweise herrschte "nicht die geringste Lust" zur Einheitsfront. 222 Angebote für<br />

Listenverbindungen lehnte die SP konsequent ab. Die Kommunisten, die für sich in Anspruch<br />

nahmen, die "echten" Vertreter des Proletariats zu sein, attackierten das sozialdemokratische<br />

Establishment als "bezahlte Parteibürokraten und Nutzniesser der Arbeiterbewegung". Die<br />

kommunistische und die sozialdemokratische Basis trennte auch eine soziale Kluft. 223 In der<br />

2. Hälfte der 20er Jahre schlugen die Kommunisten sozialfaschistische Töne an, etwa 1926 in<br />

einer Beilage des "Kämpfers" zum Ersten Mai: "An die Luzerner Arbeiterschaft: Der grösste<br />

Feind steht in unseren eigenen Reihen."<br />

6.5. Stimmverhalten<br />

Wie homogen war der politische Wille des (männlichen) Stimmvolkes in der Stadt?<br />

Die sich Anfang 20. Jh. abzeichnenden Disparitäten zwischen linkem und rechtem Ufer traten<br />

ab 1910 konstant auf. Der gewerblich geprägte linke Stadtteil stimmte im allgemeinen<br />

progressiver als der rechte. Der Stadt-Land-Gegensatz blieb aber im Vergleich mit den<br />

innerstädtischen Differenzen viel massiver, besonders bei sozialpolitischen Vorlagen, welche<br />

219 STARL 44/799.<br />

220 "Neue Jugend" 17.6.<strong>1920</strong>.<br />

221 AB 7.3.1921 und 3.3.1922.<br />

222 Prot. Kreisverein Moos 5.7.1921.<br />

223 "Neue Ordnung" 1.2.1921.<br />

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