Zürcher Denkmalpflege, 9. Bericht 1977-1978, 1.Teil - Kanton Zürich
Zürcher Denkmalpflege, 9. Bericht 1977-1978, 1.Teil - Kanton Zürich
Zürcher Denkmalpflege, 9. Bericht 1977-1978, 1.Teil - Kanton Zürich
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Alle diese verschiedenen Schichten lagen über dem anstehenden<br />
Eulachschotter, über dem da und dort in etwa<br />
1 ,60 m Tiefe unter dem heutigem Erdgeschossboden eine<br />
bis 15 cm starke Humusschicht festzustellen war: Wir hatten<br />
damit das ursprüngliche Terrain (441,50 m ü.M.) gefasst,<br />
wie es gleicherweise im Bereich der Stadtkirche anlässlich<br />
der archäologischen Untersuchungen 1980/81 zutage<br />
kam, und wo, wie übrigens auch im Baugrund der<br />
Kirche St. Arbogast in Oberwinterthur 1976/77, deutlich<br />
wurde, dass die Aufschüttungen und Planierungen systematisch<br />
betrieben worden sein müssen.<br />
Die Keramikscherben aus den untersten Brandschichten –<br />
beidseits der Mauer M 2a – stammen nach freundlicher<br />
Mitteilung von Prof. Dr. R. Schnyder vom Schweiz. Landesmuseum<br />
von unglasierten Tongefässen der Zeit um 1100,<br />
hauptsächlich aber aus dem 12. Jh., während die den darüber<br />
liegenden Wohnhorizonten entnommenen Keramiken von<br />
Haushalten des 13. und 14., besonders und vor allem aber<br />
des späten 15. Jh. Zeugnis ablegen.<br />
Die ältesten Hausbaureste liessen sich vom Profil A–B an nordwärts<br />
ausmachen, und zwar je östlich und westlich der Linie<br />
der späteren Mauern M 2a–M 6.<br />
Im östlichen Bereich war die ursprüngliche Humusoberfläche<br />
nur noch teilweise oder gar nicht mehr erhalten und die<br />
Schotteroberfläche mit einer bis 30 cm dicken Kiesschüttung<br />
überdeckt. Die darauf liegende Brandschicht der Zeit<br />
vor 1200 liess den Grundriss eines etwa 12,50 × 7 m grossen<br />
Holzhauses einfangen, wobei allerdings die nördliche und<br />
südliche Begrenzung nicht ganz klar festzulegen war.<br />
Im westlichen Bereich, d. h. westlich der durch die späteren<br />
Mauern M 2a und M 6 bestimmten Linie, war die Humusdecke<br />
auf dem Flussschotter zwar stark durch Eintiefungen<br />
gestört, aber doch grossenteils vorhanden, und erst darauf<br />
lagerte eine schuhhohe Kiesplanierung, so dass hier der<br />
erste Geh- bzw. Wohnhorizont rund einen Fuss höher lag als<br />
im östlichen Nachbarhaus.<br />
Auch hier konnte der erste Baugrundriss recht gut abgesteckt<br />
werden: im Süden endete er auf der Linie der späteren<br />
Mauer M 3a (vgl. Profil C–D), die Ostwand stand auf<br />
der Linie der nachmaligen Mauer M 2a, die Westwand analog<br />
im Bereich der Westmauer des Waaghauses, während<br />
die nördliche Hausgrenze bestimmt mit der Nordflucht des<br />
östlichen Nachbargebäudes zusammengefallen sein muss.<br />
Das nach der Einäscherung des Erstbaues auf einem 20 cm<br />
starken Kieskoffer erstellte Nachfolgegebäude dürfte ebenfalls<br />
einer Brandkatastrophe zum Opfer gefallen sein.<br />
Der grosse Keller muss nach diesem zweiten Brandunglück<br />
und im Rahmen eines weiteren Hausbaues eingerichtet worden<br />
sein. Er war ursprünglich durch einen aus einer Türoberlicht-Spolie<br />
konstruierten Luftschlitz von Süden her<br />
belüftet und ist noch immer am alten Ort von Süden her<br />
über eine Treppe zugänglich. – Die Lage des Luftschlitzes<br />
und die oberste Stufe der Treppe sowie selbstverständlich<br />
der Scheitelpunkt des Kellergewölbes geben das Unterkant-<br />
238<br />
niveau für den darüber verlegten Erdgeschossboden, auf<br />
dem dann 1503 der Kieskoffer für das Waaghaus aufgeschüttet<br />
worden ist.<br />
Die Errichtung der Brandmauer M 2a erfolgte nach der dritten<br />
Einäscherung der westlichen Hauseinheit und zwar, da die<br />
Mauerzüge M 2a und M 3 im Verband waren, im Zusammenhang<br />
mit einem Neubau aus Massivmauerwerk. Man<br />
denkt da unwillkürlich an einen öffentlichen Bau, in diesem<br />
Fall an den Ostteil des nachgewiesenermassen seit dem<br />
15. Jh. hier und im westlich anschliessenden ehemaligen<br />
Pfrundhaus untergebrachten Oberen Spitals.* In diese Richtung<br />
weisen m. E. auch die beim Bau verwendeten Spolien<br />
von romanischen oder frühgotischen Bauten, die wir in der<br />
Mauer M 2a zwischen Keller und Mauer M 3a entdeckten.<br />
Ein Sickerschacht von 2,40 m Tiefe und 1 ,60 m Weite lag<br />
rund 2,50 m südlich der Mauer M 3. Er war rund, von unten<br />
nach oben sich leicht verengend, aus Geröllen, Sandsteinbrocken<br />
und wies noch je auf der Ost- und Westseite<br />
einen Wassereinlauf auf. Der Backsteinzylinder über dem<br />
westlichen Einlauf wurde im späten 1<strong>9.</strong> oder im 20. Jh. erstellt.<br />
Ein grösserer Brunnenschacht von rund 3,50 m Weite kam bei<br />
der Südostecke des Waaghauses im Baugrund zum Vorschein.<br />
Er war aus Geröllen aufgeschichtet, oben eingewölbt<br />
und durch eine im Scheitelpunkt freigehaltene, kreisrunde<br />
Öffnung von 1 ,10 m Durchmesser zugänglich.<br />
Teile der Westfront eines Wohnturms (?) von 10 m Seitenlänge<br />
könnte der Mauerabschnitt M II) darstellen. Dieser Bauteil<br />
ist beidseits durch Ecken begrenzt, die aus auffällig gleichmässig<br />
gehauenen Sandsteinquadern bestehen. Ausserdem<br />
weist diese Mauer ein sehr stark vorspringendes Fundament<br />
und eine gute – romanische – Steinbautechnik auf. Eine<br />
gründliche Abklärung ist selbstverständlich erst möglich,<br />
wenn im Baugrund des östlich anschliessenden Gebäudes<br />
Marktgasse 23 gegraben werden kann. Möglicherweise gehörte<br />
zu diesem Turm die oben beschriebene Zisterne (?).<br />
Als Vorarbeit dazu wurde eine photogrammetrische Aufnahme<br />
angefertigt.<br />
Der Bau des Hauses Jucker unter Erweiterung nach Süden im 15. Jh.<br />
muss nach Ausweis der Mauerzüge M 2b und M 4a sehr<br />
bald nach dem Ausbau des Oberen Spitals erfolgt sein.<br />
Der kleine Keller dürfte beim Bau des Waaghauses errichtet<br />
und gleichzeitig durch einen gewölbten Gang mit dem<br />
grossen verbunden worden sein. W.D.<br />
Die Restaurierung<br />
Projekt und Bauleitung: Hochbauamt der Stadt Winterthur.<br />
Bauzeit: Oktober <strong>1978</strong> bis Dezember 197<strong>9.</strong><br />
Die Aussenrestaurierung war auf eine möglichst gute<br />
Wiederherstellung des originalen Äussern ausgerichtet.<br />
* Vgl. Kdm. Kt. <strong>Zürich</strong>, Bd. VI: Winterthur, Basel 1952, S. 89 f.