Frühpädagogik Studieren – ein Orientierungsrahmen für Hochschulen
Frühpädagogik Studieren – ein Orientierungsrahmen für Hochschulen
Frühpädagogik Studieren – ein Orientierungsrahmen für Hochschulen
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
42<br />
Die Entwicklung <strong>ein</strong>er<br />
forschenden Grundhaltung,<br />
Methodenwissen<br />
und die Aus<strong>ein</strong>andersetzung<br />
mit der eigenen<br />
Biographie sind zentrale<br />
Bestandteile forschenden<br />
Lernens.<br />
<strong>Frühpädagogik</strong> <strong>Studieren</strong><br />
Die Ausbildung von reflexivem Orientierungswissen durch forschendes Lernen<br />
Ein Wissen, das professionelles pädagogisches Handeln zu orientieren vermag und<br />
<strong>für</strong> dieses unerlässlich ist, kann als Synergieeffekt <strong>ein</strong>er engen Verzahnung von akademischer<br />
und praktischer Ausbildung betrachtet werden. Dabei spielen die Entwicklung<br />
<strong>ein</strong>er forschenden Grundhaltung, die Aus<strong>ein</strong>andersetzung mit der eigenen<br />
Herkunft und Biografie sowie die Einübung in analytisch-methodische Verfahrensweisen<br />
der Forschung und Evaluation <strong>ein</strong>e zentrale Rolle. Reflexives Orientierungswissen<br />
2 , das durch Berufserfahrung weiter angereichert und vertieft wird, ermöglicht<br />
den (zukünftigen) Pädagoginnen, sich zu theoretischen Wissensbeständen ebenso in<br />
<strong>ein</strong> kritisch-reflexives Verhältnis zu setzen wie auch zu sich selbst und zu den Beobachtungen<br />
und Praktiken des konkreten Alltags. Im Kern geht es darum, implizites<br />
Handlungswissen, das prozesshafte »tacit knowledge« im Sinne von Polanyi (1969,<br />
S. 155), rekonstruieren und explizieren zu können und damit diskutierbar und bearbeitbar<br />
zu machen. Wenn also das Studium darauf vorbereiten soll, mit den komplexen<br />
Herausforderungen der Praxis kompetent umzugehen, dann ist dieses Ziel ohne<br />
»situiertes Lernen« (vgl. Euler, 2005) im Lernort Praxis gar nicht denkbar.<br />
Beobachtete und methodisch rekonstruierte Einzelfälle und soziale Situationen<br />
können dann zu Erkenntnissen in Beziehung gesetzt werden, die in systematischer<br />
Weise bereits auf der Grundlage der Beobachtung, der Analyse und vor allem des<br />
Vergleichs mit anderen Fällen gewonnen wurden. 3 Professionalität heißt dann,<br />
:: in der Lage zu s<strong>ein</strong>, <strong>ein</strong> Kind bzw. <strong>ein</strong>e soziale Situation in ihrer Komplexität<br />
und Perspektivität sowie auch in ihrer Entwicklungsgeschichte zu erfassen<br />
(Fallverstehen).<br />
:: die analytische Fähigkeit zu haben, verschiedene Situationen und Prozesse auf <strong>ein</strong><br />
Kind bezogen zu<strong>ein</strong>ander in Beziehung zu setzen (fallinterne komparative Analyse)<br />
und damit situationsübergreifende grundlegende Strukturen und Muster der Entwicklung<br />
<strong>ein</strong>es Kindes herauszuarbeiten. Hier handelt es sich um die Kompetenz<br />
<strong>ein</strong>es situationsübergreifenden Verstehens und Erklärens.<br />
:: die analytische Fähigkeit zu haben, systematische Vergleiche zwischen verschiedenen<br />
Kindern und sozialen Situationen anzustellen (fallübergreifende komparative<br />
Analyse) und damit fallübergreifende grundlegende Muster und Strukturen<br />
von sozialen Prozessen und Bildungsprozessen herauszuarbeiten. Hier handelt es<br />
sich um die Kompetenz <strong>ein</strong>es fallübergreifenden Verstehens und Erklärens.<br />
Damit kann <strong>ein</strong>e hohe Sensibilität und Empathie <strong>für</strong> die individuelle Entwicklung<br />
von Kindern und soziale Interaktionskontexte entwickelt und pädagogisches<br />
Handeln auf professionelle Einsichten und Urteile gegründet werden. Sowohl<br />
fall- und situationsspezifische Erkenntnisse können gewonnen werden, wie auch<br />
»Typisches« im Sinne von Erkenntnissen mit größerer Reichweite und höherer<br />
Generalisierungsfähigkeit, rekonstruiert werden kann. 4 Damit kann im Rahmen<br />
2 Für Dirks & F<strong>ein</strong>dt ist das »Reflexionswissen« Resultat <strong>ein</strong>er Verknüpfung von Theoriewissen und<br />
implizitem Handlungswissen, welches auf der Grundlage <strong>ein</strong>er forschenden Haltung expliziert werden<br />
kann, zentrale Komponente berufsbiografischer Lernprozesse (2002, S. 8).<br />
Zur Bedeutung der komparativen Analyse <strong>für</strong> den Erkenntnisprozess im Rahmen rekonstruktiver<br />
Sozialforschung vgl. Nohl (2001; 200 ).