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Soziale Hemmung und Sprechangst bei Kindern unter dem Aspekt ...

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Mehrsprachigkeit<br />

mächtig sind. Es kommt zu Verwischungen <strong>und</strong> Vermischungen <strong>bei</strong>der<br />

Sprachen, ohne dass diese bewusst wahrgenommen werden (vgl. Kracht,<br />

2000, S. 185). Relevante Begriffe aus der Migrationssituation im Gastland<br />

werden in die Herkunftssprache neu eingeführt (z. B.: „Einwohnermeldeamt“).<br />

Auch aus den Medien <strong>und</strong> <strong>dem</strong> Umfeld werden Wörter transferiert. Diese<br />

Kompetenz der Sprachmischung sollte nicht als mangelnde<br />

Sprachabgrenzung oder mangelnde sprachliche Kompetenz bewertet<br />

werden, sondern sie bedeutet eine kreative Nutzung <strong>bei</strong>der Sprachen (vgl.<br />

Grosjean, 1989). Gerade aus konservativer sprachheilpädagogischer<br />

Sichtweise werden diese Sprachmischungen häufig als negativ angesehen.<br />

Die Notwendigkeit der Sprachmischung in der Situation <strong>und</strong> die Kreativität im<br />

Umgang mit Sprachen, die da<strong>bei</strong> vorausgesetzt werden, übersehen<br />

Pädagogen <strong>und</strong> Sprachheiltherapeuten häufig.<br />

Lüdi (1996) nennt „Diglossie“ als einen weiteren Modus der Kommunikation,<br />

was u. a. eine funktionale Trennung zweier Sprachen oder Sprach<strong>unter</strong>gruppen<br />

(z. B. Deutsch <strong>und</strong> Schwyzertütsch oder Italienisch <strong>und</strong><br />

Sizilianisch) bedeutet. Eine Sprache, meist die Hoch- oder Standardsprache<br />

übernimmt da<strong>bei</strong> die Funktion der Sprache in offiziellen Situationen. Die<br />

andere Sprache ist die Sprache des täglichen Gebrauchs. Sie bezieht dies<br />

auch auf die bewusste Erhaltung der Herkunftssprache einer Minorität in<br />

einem Immigrationsland. Da<strong>bei</strong> spielt die Wahl der Sprache eine wichtige<br />

Rolle, um eigene Kultur <strong>und</strong> Herkunftsidentität zu erhalten, sich aber dennoch<br />

in der neuen Kultur zu behaupten <strong>und</strong> ein Gefühl der Zugehörigkeit zu<br />

erlangen (vgl. S. 196-197; dazu auch: Kap. 5 <strong>und</strong> 6.1.7). Laut Kracht <strong>und</strong><br />

Welling (1995) lehnen es viele Migranten jedoch ab, sich als zweisprachig zu<br />

bezeichnen, denn die damit verb<strong>und</strong>ene Identitätsveränderung bedeutet auch<br />

einen Verlust der Herkunftskultur. Sie lehnen die Sprache des Gastlandes ab,<br />

auch wenn sie darin über Kommunikationsfertigkeiten verfügen. Für andere<br />

Migranten ist die Adaption an die neue Situation eine Bereicherung ihrer<br />

Persönlichkeit. Entscheidend in <strong>dem</strong> Prozess der Diglossie ist die neuere<br />

Sichtweise, dass durch eine Veränderung der Sprache kein<br />

Kompetenzverlust entsteht, sondern dieser lediglich eine andere soziale<br />

Bedeutung <strong>bei</strong>gemessen wird (vgl. Kracht & Welling, 1995).<br />

Kinder aus Migrationsfamilien stehen oft vor der Aufgabe, sich auf die<br />

Kommunikationspartner besonders einstellen zu müssen, denn sie haben<br />

Kontakt sowohl zu einsprachigen als auch zu zweisprachigen Personen.<br />

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